Vergiftet
…«
Thorleif wischt sich den Mund ab, wendet sich von ihr ab und kann einfach nicht weiterreden.
»Jetzt sag schon, was ist passiert?«
Thorleif zögert, lange. »Nichts«, sagt er schließlich. »Ich habe einfach nur Angst bekommen … Angst.«
»Angst? Warum?«
Er schüttelt den Kopf. »Ach, vergiss es. Es wäre einfach schön, wenn du antworten würdest, wenn ich dich anrufe oder dir eine SMS schicke.«
»Aber Thorleif«, sagt sie und ahmt den Tonfall ihrer Tochter nach, während sie zu ihm geht. »Hin und wieder genieße ich es einfach, für eine Weile unabhängig zu sein. Kannst du das denn nicht verstehen?«
»Doch, schon, aber …«
»Auch ich brauche ab und an ein bisschen … Freiraum.«
»Ich weiß, aber unser Leben und das, was wir zusammen haben … das … das …« Er schüttelt den Kopf. »Manchmal gibt es einfach wichtige Sachen … etwas, das ich dir sagen muss oder auf das ich eine Antwort brauche. Und dann ist es verdammt irritierend, wenn du nicht ans Telefon gehst.«
»Ich weiß. Das ist nicht meine Stärke.«
»Ja, wirklich.«
»Ich werde versuchen, mich zu bessern, okay?« Sie tritt dicht neben ihn, und ihre Augen laden ihn ein.
Thorleif sieht sie an, und seine Wut verpufft. Er zieht sie an sich und hält sie einen Augenblick fest. »Hattest du wenigstens Spaß?«
»Es war supernett. Aber ich habe wohl ein bisschen zu viel getrunken«, sagt sie und nimmt ihm das Glas Wasser aus der Hand.
»Das rieche ich«, erwidert Thorleif und wedelt mit der Hand unter seiner Nase hin und her. Er wird wieder ernst und würde sie am liebsten fragen, ob sie etwas Verdächtiges bemerkt hat, jemanden, der sie beobachtet hat, zum Beispiel, lässt den Gedanken aber wieder fallen. Stattdessen mustert er Elisabeth, die gierig trinkt und angestrengt atmet, als das Glas leer ist.
»Arme Hilde«, sagt sie, als sie wieder normal atmet. »Die hatte richtig einen im Tee, glaube ich. Die geht wohl nicht mehr so oft aus. Außerdem war da so ein Typ – ich weiß nicht recht … Ich glaube, der war scharf auf eine von uns. Auf jeden Fall hat er uns allen Drinks spendiert. Mehrere.«
»Wirklich?«
»Die Nachwehen werde ich wohl morgen noch spüren, um es mal so zu sagen …« Sie verdreht die Augen.
»Wie sah er aus?«
»Hm?«
»Der Typ, der euch die Drinks spendiert hat? Wie sah er aus?«
»Ach, daran erinnere ich mich nicht mehr. Warum fragst du?«
»Bloß so.« Thorleif weicht ihrem Blick aus.
»Immer mit der Ruhe, er war ja nicht auf mich scharf. Wieso auch?«
»He he, red nicht so über dich. Ich wüsste schon, wieso.«
Elisabeth lächelt mit etwas vernebeltem Blick.
»Hat er Norwegisch gesprochen?«
»Ob er Norwegisch gesprochen hat ? Warum fragst du ständig so einen Scheiß?«
»Tue ich doch gar nicht.«
»Doch, tust du! Heute Nachmittag hast du mich gefragt, ob der Journalist Norwegisch gesprochen hat. Hast du irgendwie einen Schaden da oben? Es ist doch merkwürdig, dass du ständig wissen willst, ob die Leute, denen ich begegne, Norwegisch gesprochen haben?«
»Hm, ich …« Er blickt zu Boden.
»Er hat überhaupt nicht geredet, ich kann dir deine Frage also nicht beantworten. Er saß einfach nur da, hat uns angelächelt, genickt und uns zugeprostet. An mehr erinnere ich mich nicht … Doch, eine Sache noch. Er war ziemlich kräftig und hatte kaum noch Haare auf dem Kopf. Er schien sich trotzdem für unwiderstehlich zu halten, wenn du verstehst, was ich meine. Ein echter Gockel. Aber keine Sorge, mein Typ war er nicht.«
Elisabeth sieht ihn an und lächelt.
Thorleifs Blick wandert über ihre dunklen Haare, die auf ihren Schultern liegen, zu ihren einladenden Lippen. »Wirklich«, sagt er und zieht sie näher an sich.
Elisabeth schließt die Augen.
»Du bist die Beste und Hübscheste, die es gibt«, sagt er leise.
Sie öffnet die Augen wieder und küsst ihn auf den Mund. Ihre Lippen schmecken nach Alkohol. Aber das macht nichts.
»Danke«, sagt sie zärtlich.
Thorleif versucht, den Kloß im Hals hinunterzuschlucken. Und während er ihr tief in die Augen blickt, wird ihm bewusst, dass seine Lebensgefährtin nie hübscher war als in diesem Moment.
34
Das Morgenmeeting hat bereits begonnen, als Henning in den Raum in der ersten Etage stürmt. Der Nachrichtenredakteur Kåre Hjeltland sitzt an der Stirnseite des Tischs, Heidi Kjus schräg neben ihm.
»Hallo, Henning!«, ruft Hjeltland, als Henning eintritt. »Schön, dich zu sehen! Tritt ein, tritt EIN !«
»Sorry, dass ich zu
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