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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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spät bin. Ich … bin aufgehalten worden.«
    »Kein Problem, kein Problem, kein Problem.«
    Heidi schielt zu ihm hinüber, als er sich setzt. Henning hat die Morgenstunden damit verbracht, erfolglos nach alten Telefonrechnungen zu suchen, da Telenor Verbindungsnachweise nicht länger als drei Monate speichert. Die Daten, die er braucht, liegen aber über ein Jahr zurück.
    »Wir diskutieren gerade die Themen des Tages, Tages, TAGES !«, schreit Hjeltland, während ein Zucken die Kontrolle über seine Gesichtsmuskeln übernimmt. Henning wird sich nie ganz an die Ticks des Nachrichtenchefs gewöhnen. Dass obendrein seine Haare in alle Himmelsrichtungen abstehen, trägt nicht gerade zur Abschwächung seiner komischen Erscheinung bei.
    »Hast du was hinzuzufügen?«, fragt er und sieht Henning an.
    Henning räuspert sich, spürt die Blicke aller auf sich. »Nein, ich …« Er sieht Heidi an. »Meinetwegen gehe ich wieder in den Schneideraum, um die Nachrichten aufzuarbeiten, falls es da noch immer so viele Krankmeldungen gibt.«
    »Nachrichten aufarbeiten?«, ruft Hjeltland mit einem Blick auf die Uhr. »Nix da, du gehst nicht in den Schneideraum! Du gehst raus ins Feld, was glaubst du wohl! Nachrichten jagen!«
    Heidis Wangen röten sich.
    »Ja, gut, ich kann …«
    »Okay! Fein!«, sagt Hjeltland und schaut auf die Uhr. »Ich muss weiter zur nächsten SITZUNG !«, brüllt er und steht auf.
    Henning braucht ein, zwei Sekunden, um sich ein ungewolltes Lachen zu verkneifen, und sieht, dass es Iver nicht anders ergeht. Hjeltland walzt durch die Tür, Heidi ist ihm dicht auf den Fersen. Henning verlässt als Letzter den Raum, Iver vor ihm.
    »Der reinste Brüllaffe.« Iver lacht. »Adler und Brüllaffe. Wirklich ein unschlagbares Duo.«
    »Guter Filmtitel.«
    » Starsky & Hutch . Thelma & Louise . Adler & Brüllaffe .«
    Sie gehen gemeinsam nach oben in den dritten Stock und setzen sich an ihre Plätze. Henning beobachtet Iver, der wie gebannt auf seinen Bildschirm starrt. Vielleicht hilft er mir ja, denkt Henning. Er sollte dazu in der Lage sein. Einen Augenblick lang überlegt er, ob er fragen soll. Dann schüttelt er den Kopf.
    Thorleif hasst und liebt es, Julie morgens in den Kindergarten zu bringen. Er hasst ihr Weinen, wenn er gehen muss. Und liebt doch gerade diesen Moment aus ganzem Herzen, denn zu Hause ist immer Elisabeth die Beste. Mama und niemand sonst soll sie ins Bett bringen, ihr etwas vorlesen. Im Kindergarten gehört sie nur ihm.
    Heute schenkt sie ihm glücklicherweise statt des Weinens ein Lächeln. Er drückt sie lange an sich und flüstert ihr ins Ohr, dass Mama sie wie gewohnt um vier Uhr abholen kommt. Dann verabschieden sie sich wie immer.
    »Ich liebe dich«, sagt er. »Bis zum Mond.«
    »Und ich liebe dich bis zur Sonne. Nein, bis nach Marokko!«
    »Oh«, sagt Thorleif, »das ist aber weit!«
    Sie nickt und drückt ihn ganz fest, bis er sich losreißt und winkt, winkt, winkt. Auf dem Parkplatz vor dem Kindergarten muss er wieder winken, weil sie oben am Fenster steht. Er schickt ihr einen Luftkuss, wie immer. Und bekommt einen zurück. Auch das wie immer.
    Kinder, denkt Thorleif und öffnet die Autotür. Das einzig Bedeutsame ist der nächste Glücksmoment oder das nächste Spiel. An die Probleme dieser Welt wird kein Gedanke verschwendet, außer dass es samstags womöglich keine Süßigkeiten gibt.
    Ein Blick auf die Uhr verrät ihm, dass er spät dran ist. Er will gerade den Zündschlüssel umdrehen, als die Beifahrertür mit einem Ruck aufgerissen wird und jemand sich neben ihn setzt. Thorleif fährt herum, will protestieren, als ihm aufgeht, wer das ist.
    Der BMW -Mann.
    Furio.
    Thorleifs Herz droht zu zerspringen.
    Der Mann sitzt da und sieht ihn an. »Fahren Sie los«, sagt er.
    »Aber …«
    »In …«
    Der Mann sieht auf seine Uhr.
    »… drei Minuten geht ein Freund von mir nicht weit von hier in eine Schule. Er wird sich in die Kantine setzen. In regelmäßigen Abständen wird er dann zu den Klassenzimmern 38 und 39 gehen, wo Elisabeth Haaland heute unterrichtet, mit Ausnahme der vierten Stunde, die sie freihat. Es hängt ganz davon ab, wie Sie sich jetzt und heute aufführen, ob sie von der Arbeit nach Hause kommt oder nicht. Verstehen Sie, was ich Ihnen sage? Verstehen Sie mich?«
    Thorleif nickt hektisch und schluckt mehrmals.
    »Fahren Sie los!«
    Mit zitternden Fingern dreht Thorleif den Zündschlüssel herum. Der Motor springt kurz an, säuft aber gleich wieder ab. Er versucht es

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