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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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noch einmal, und dieses Mal springt der Wagen mit einem Brüllen an. Thorleifs Gesicht glüht. Das Atmen fällt ihm schwer.
    »Fahren Sie«, wiederholt der Mann.
    Thorleif legt den ersten Gang ein. Das Auto ruckt nach vorn, als er die Kupplung kommen lässt. Vorsichtig kurvt er zwischen den anderen parkenden Autos und den mit Kindern, Wechselkleidern und Brotboxen beladenen Eltern hindurch und lässt den Wagen dann das Gefälle hinunter an die Ampelkreuzung rollen.
    »W-wohin?«, stottert er.
    »Das ist das Gute«, sagt der Mann. »Sie können frei wählen.«
    »Wählen?«
    »Ja.«
    »Ich verstehe Sie nicht ganz.«
    »Es ist eine einfache Wahl. Fahren Sie links, stirbt Ihre Frau. Fahren Sie rechts, können Sie weiter freitags zusammen Tacos essen.«
    Thorleif kriegt keinen Ton heraus. Ihre Frau . Er blinkt rechts.
    Der Mann lächelt. »Gut«, sagt er. »Eine kluge Wahl. Und jetzt rufen Sie bei der Arbeit an und melden sich für heute krank.«
    »Krank?« Thorleif schaltet in den zweiten Gang.
    »Ja. Krank. Aber nicht so krank, dass Sie morgen nicht wieder arbeiten könnten.«
    »Aber …«
    »Falls Sie sich nicht an die Nummer erinnern – ich hab sie in meinem Handy gespeichert.«
    Thorleif wirft einen hastigen Blick zur Seite. Der Mann lächelt. Eiskalt. Thorleif fummelt sein Handy aus der Innentasche seiner Jacke, sucht mit zitternden Fingern die Arbeitsnummer und drückt auf Anruf. Er klemmt das Handy zwischen linke Schulter und Ohr, während er den Wagen in die Fahrbahnmitte lenkt. Sein Herz schlägt ihm bis zum Hals.
    Vor der nächsten Ampel bleibt er stehen und schaut zu dem Auto neben sich. Die Frau auf dem Beifahrersitz erwidert seinen Blick. Einen hektischen Moment lang überlegt er, ob er versuchen soll, ihr ein Zeichen zu geben, sieht aber schnell ein, dass das wenig Sinn ergeben würde. Was soll er ihr signalisieren? Wie? Und womit?
    Guri Palme antwortet nach dem ersten Freizeichen.
    »Hallo, Guri, ich bin’s, Toffe.«
    »Ach, hallo, Toffe!«
    »Hallo. Du … Ich … Mir geht’s heute nicht gut.«
    »Oje«, sagt sie mit besorgter Stimme. »Das tut mir leid.«
    Thorleif kneift die Augen zusammen.
    »Nichts Ernstes, hoffe ich«, fragt sie.
    »Ich musste mich nach dem Aufstehen übergeben, aber bis morgen bin ich sicher wieder auf den Beinen.«
    »Bist du sicher? Sonst bitte ich Trude, morgen jemand anderen für dich einzusetzen?«
    »Nein, nein, nicht nötig.«
    »Bist du ganz sicher?«
    »Wird schon.«
    »Okay. Prima. Dann gute Besserung.«
    »Danke.« Er beendet das Gespräch und hyperventiliert fast.
    Der Mann neben ihm applaudiert. »Bravo«, sagt er. »Magen-Darm und das ganze Karussell. Das läuft doch wie geschmiert, Toffe. Gut improvisiert. Sehr vielversprechend. Biegen Sie dort rechts ab.«
    Der Mann zeigt auf das Rondell, auf das sie zufahren. Die ersten Herbstnuancen im Frognerpark glühen in der Morgensonne.
    »Und hier die nächste wichtige Frage«, sagt der Mann und dreht sich zu Thorleif um. »Was ziehen Sie vor: Fußgänger oder Radfahrer?«
    35
    Henning blättert durch den Papierstapel auf seinem Arbeitstisch, erkennt aber schnell, dass keiner der Ausdrucke oder die Notizen, die dort seit Jonas’ Tod liegen, irgendeine Verbindung zu Tore Pulli haben. Er kann sich schlicht und einfach nicht mehr daran erinnern, wen er in der Zeit davor interviewt hat. Und überdies ist keine der Notizen datiert.
    Irgendetwas muss es doch geben, denkt er, irgendwo muss sich ein Hinweis finden, woran er in den Wochen vor dem Brand gearbeitet hat. Im Archiv hat er nichts von Bedeutung gefunden, nur Standardnachrichten, in denen es um Raub, Überfälle oder ein oder zwei Urteile in Schadenersatzfällen geht. Gibt es denn niemanden, der ihm Auskunft geben kann?
    Ein paar Sekunden lang zieht er in Erwägung, Nora anzurufen, schlägt sich das aber rasch wieder aus dem Kopf. Sie haben für konkurrierende Zeitungen gearbeitet, solange sie zusammen waren, und deshalb nur selten oder nie über die Projekte gesprochen, an denen sie gerade arbeiteten. Als Jonas starb, waren sie schon mehrere Monate getrennt. Außerdem ist er sich sicher, dass sie hysterisch reagieren würde, wenn sie erführe, dass er in der Vergangenheit herumwühlt, unter die sie so widernatürlich konsequent einen Strich gezogen hat und die sie nun mit Ivers Hilfe zu vergessen sucht.
    Meine Kassetten, denkt er plötzlich. Die Kassetten mit den Aufnahmen all der unzähligen Quellen. Er hat die Bänder als Gedächtnisstütze für Zitate und als

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