Vergiss es Baby - Roman
ergattern, und ihr damit die Verlegenheit erspart, ihn Mama und Georg vorstellen zu müssen.
Endlich wurde ihr Tablett abgeräumt, Drinks wurden eingeschenkt, Kopfhörer für den anstehenden Spielfilm verteilt. Marlene
war froh, als ihre Mutter einen der Kopfhörer nahm. Der Film würde sie eine Weile beschäftigen, und sie hatte zum ersten Mal nach der Heirat Gelegenheit, über sich und ihre Situation nachzudenken.
Die Tage in Vegas waren die Hölle gewesen. Zwar war Valentin klug genug gewesen, sie ihn Ruhe zu lassen, dennoch hatte sie sich keine Sekunde vor ihm sicher gefühlt. Ständig rechnete sie damit, ihm an der nächsten Kreuzung, in der Lobby oder auf den Gängen des Hotels zu begegnen. Seine bloße Präsenz hätte ihr den Angstschweiß auf die Stirn getrieben. Hin und wieder hatte sie sich sogar dabei ertappt, Mama ihre Dummheit beichten zu wollen. Doch sie hatte es einfach nicht übers Herz gebracht. Dabei verband sie ein ungezwungenes, fast freundschaftliches Verhältnis miteinander. Marlene wusste, dass sie ihrer Mutter nach dem Tod des Vaters vor fünfeinhalb Jahren eine große Stütze gewesen war, und bis heute hatte sich an ihrem vertrauensvollen Umgang miteinander nichts geändert. Wie oft hatte Marlene bei Prosecco und Pralinen mit ihr am Küchentisch gesessen, sich über ihre frustrierenden Männergeschichten ausgelassen und sich Verständnis und Trost abgeholt? Aber ihre sogenannte Ehe … das ging nun wirklich zu weit. Das würde selbst ihre Mutter umhauen.
Wenn sie nur daran dachte, wie romantisch es gewesen war, als Mama und Georg sich in der Little Chapel of Flowers das Jawort zum zweiten Mal gegeben hatten! Auch wenn die Zeremonie nur drei Minuten gedauert hatte. Der Minister, wie die Pfarrer dort hießen, hatte die beiden gar nicht schnell genug abfertigen können. Schließlich wartete das nächste Paar schon
im Vorraum. Trotz der Eile und der unpersönlichen Atmosphäre hatte sie Georg noch nie so glücklich gesehen. Auch Mama schien es wohl zum ersten Mal in ihrem Leben die Sprache verschlagen zu haben.
Nur sie hatte abseits gestanden und sich wie immer, wenn sie Zeugin inniger Zweisamkeit wurde, ausgeschlossen gefühlt. Die bewegende Zeremonie hatte ihr die eigene trostlose Lage umso drastischer vor Augen geführt. Es hatte nicht lange gedauert, und sie hatte nicht mehr an sich halten können und einfach losgeheult. Gott sei Dank hatten die beiden nichts von ihrer Verzweiflung mitbekommen und ihre Tränen als Zeichen der Rührung gedeutet.
Was also hätte sie Mama sagen sollen?
Mama, ich bin verheiratet. Entschuldige bitte, dass ich dich nicht zur Hochzeit eingeladen habe. Ich weiß, das ist unverzeihlich, aber ich habe gar nicht bemerkt, dass ich heirate. Also mein Mann, der heißt Valentin. Er hat kein Geld. Und keinen Job. Eine Wohnung auch nicht. Er hat wohl das eine oder andere Problem. Ein echter Traummann eben. So einen hast du dir doch für deine Tochter gewünscht. Nicht wahr, Mama?
Seufzend griff sie nach der Tageszeitung, die sie im Netz vor ihrem Sitz verstaut hatte und die sie überflogen, aber nicht zu Ende gelesen hatte. Auch jetzt konnte sie sich nicht darauf konzentrieren, und ihre Gedanken kehrten schnell wieder zu Valentin zurück.
Was wusste sie eigentlich über ihren Ehemann? Nichts. Au ßer, dass er ein totaler Loser war. Immerhin hatte sie das gleich zu Beginn ihrer gemeinsamen Zeit gemerkt. Andere Frauen brauchten dazu nicht selten ein ganzes Leben.
Was wusste er von ihr? Ebenfalls nichts. Bis auf ihre Adresse, die sie ihm notgedrungen aufgeschrieben hatte. Die Idee, ihm eine falsche zu geben, hatte sie in dem Moment verworfen, als sie ihr gekommen war. Dabei wäre ein klitzekleiner Betrug unter den gegebenen Umständen doch nur allzu verständlich gewesen.
Sie war eben einfach zu gutmütig. Oder zu vertrauensselig. Kurz gesagt: zu blöd. Blöd genug, noch nicht einmal seinen Namen zu kennen. Einen Ring hatte sie natürlich auch nicht. War wahrscheinlich auch besser so. Sie traute ihm glatt zu, ihr einen anzustecken, den er kurz davor aus einem Kaugummiautomaten gezogen hatte.
An die kitschige Kapelle, den Ort des Grauens, konnte sie sich nur noch verschwommen erinnern. Wie hatte der Pfarrer ihn angesprochen, bevor er Valentin das verhängnisvolle Jawort entlockte?
Ba…, Ba…, Balert. Hieß er so? Zumindest klang der Name deutsch. Oder etwa nicht? Aber warum hatte er dann diesen merkwürdigen Akzent? Und wieso versteckte er die Papiere vor ihr? Es
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