Vergiss es Baby - Roman
nicht einmal auf. Schade. Vampire waren eben auch nicht mehr das, was sie einmal waren.
»Wir sind verabredet«, fügte sie überflüssigerweise hinzu. Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, fingerte sie eine Visitenkarte aus ihrer Aktenmappe und legte sie vor ihm auf den Tisch. Endlich reagierte er, wenn auch nicht in der gewünschten Weise.
»Das hat sich erledigt.« Fast geräuschlos blätterte er eine weitere Seite seiner Zeitung um, bevor er sie ansah. Wieder wartete sie auf ein breites Grinsen. Nichts. Stattdessen musterte
er sie ausgiebig, was ihr ausgesprochen unangenehm war. Ihr dunkelblaues Kostüm klebte an ihrem Körper, und die Tatsache, dass sie ständig an ihrer zerknitterten Jacke herumzog, machte ihren Auftritt nicht besser.
»Sie sind eine Viertelstunde zu spät.« Der Mann nahm einen Schluck aus seinem Glas, während er sie immer noch ansah. Sein Blick drückte ehrliches Bedauern aus.
Doch so schnell gab sie nicht auf. Verdammt, sie war eine knallharte Geschäftsfrau, die ausgekocht verhandeln konnte und bei Öttken die besten Umsätze machte! Daran musste sie sich nur ab und zu erinnern. Wenn sie jetzt unverrichteter Dinge abzog, rückte nicht nur der erhoffte Megaauftrag in weite Ferne, sondern auch das ersehnte Cabrio. Und ihr beruflicher Aufstieg sowieso.
»Hören Sie, ich …«, krampfhaft suchte sie nach einer Ausrede. »Ich war beim Essen«, stammelte sie. »Frühstück.«
Diese Ausrede würde der Vampir schlucken. Schon weil es gut sein konnte, dass sie den Tatsachen entsprach. Hatte sie sich nicht erst gestern geopfert und ein ihr angebotenes reichhaltiges Frühstück verzehrt, obwohl sie nur eine Tasse Kaffee trinken wollte? Na also. Ihr war keine Wahl geblieben. Der Kunde war nun einmal König. Den ließ man nicht einfach im Stich, wenn er das Bedürfnis nach einer ausgiebigen Unterhaltung verspürte. Erst recht nicht, wenn er dabei Rühreier mit Schinken, gebutterten Toast, österreichische Marillenmarmelade und einen Caffè Latte zu bieten hatte!
»Es tut mir leid, aber Sie verschwenden Ihre Zeit.« Er machte Anstalten, sich zu erheben. »Wenn Sie mich nun bitte entschuldigen wollen. Ich habe in der Küche zu tun.«
Der Fürst der Finsternis stand auf. Eilig wandte er sich ab und war wenig später durch die Schwingtür entschwunden.
»Hören Sie!« Marlene hechtete hinter ihm her. »Geben Sie mir zwei Minuten. Ich brauche nur zwei Minuten!« Jetzt bettelte sie, und das missfiel ihr gewaltig.
»Setzen Sie sich doch.« Er zwinkerte ihr zu. »Essen Sie etwas mit mir.«
Ein Lächeln umspielte seine Lippen, während er abermals ihre derangierte Erscheinung prüfte. Sein Blick blieb exakt auf der Höhe ihrer Taille hängen, wo das eine oder andere Pfund zu viel längst ein neues Zuhause gefunden hatte. Fast erwartete sie, ein »Darauf verstehen Sie sich ja anscheinend« aus seinem Munde zu hören, aber er hatte es auch so geschafft, sie vor Verlegenheit erröten zu lassen. Hastig zählte sie die unterschiedlichen Hors d’œuvre auf, die sich sowohl für das Catering als auch für eine Stammkarte eigneten. Doch er hörte ihr schon längst nicht mehr zu.
»Das ist alles sehr interessant, Frau …«
»Dittrich.«
»Nur, warum erzählen Sie mir das? Sie verschwenden Ihre Zeit.« Er drehte den Wasserhahn auf und kroch kurz darauf unter eine riesige Spüle, wo er die Abflussrohre zu inspizieren schien. Unbeeindruckt fuhr Marlene fort:
»Gut, wenn Sie sich schon entschieden haben, dann lassen Sie uns doch gleich über das entsprechende Volumen reden. Vielleicht sollten wir irgendwo Platz nehmen?«
Ein schallendes Lachen war die Antwort.
»Frau Dieeetrich.« Endlich kam er unter der Spüle hervor. »Sie brauchen nicht länger hier zu stehen und Ihr Seidenblüschen
durchzuschwitzen.« Prompt wurde ihr noch heißer. »Bei mir sind Sie ganz und gar an der falschen Adresse.« Wieder wandte er ihr den Rücken zu. »Ich bin nur der Koch.« Er riss eine leere Schublade auf und sah interessiert hinein. »Herr Sauger hat mich gebeten, Vorschläge für die Umgestaltung der Küche zu machen.« Die Schublade wurde mit Karacho zugeschmissen. »Sie sehen also, selbst wenn ich wollte, könnte ich nichts für Sie tun.«
Es dauerte, aber endlich kapierte sie. Sie murmelte irgendwas von einem Missverständnis und steuerte eilig auf die Schwingtür zu. Bloß raus hier!
Der Mann schien plötzlich seinen Sinn für Höflichkeit entdeckt zu haben und begleitete sie in Richtung Ausgang. Seine
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