Vergiss es Baby - Roman
Schlüssel sollten bei Ihnen bleiben. Schließlich ist es Ihr Wagen.«
Den Rest des Tages verbrachte Marlene in einer Art Zwischenwelt, in der die Gesetze des Alltags keine Gültigkeit mehr besaßen. Ab und zu klopfte Rosanna an ihre Zimmertür, aber das ignorierte sie ebenso wie das Telefon und die Türklingel. Sie konnte es kaum fassen, aber sie war tatsächlich die Besitzerin des Sportwagens des 20. Jahrhunderts! Sie, Marlene. Von nun an würde man sie nur noch die Frau mit dem 300 SL Coupé nennen!
Sie hatte es geschafft! Aus der unscheinbaren Marlene Dittrich war doch noch ein Star geworden. Eine glamouröse Diva, der die Männer dieser Welt zu Füßen lagen.
Die Männer. Nun ja. Ein wirklich schlechtes Thema.
Kapitel sechsundzwanzig
Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, die Denkweise des weiblichen Geschlechts als vollkommen unverständlich zu definieren, so hatte Valentin ihn jetzt erhalten. Kopfschüttelnd starrte er auf den Parkplatz unterhalb des Clubhauses in Old Trafford und verstand die Welt nicht mehr. Soeben hatte der Teambetreuer ihm die Schlüssel des SL ausgehändigt, nachdem sein Chauffeur die Rückgabe des Wagens veranlasst hatte. Seine Kneipenbekanntschaft hatte die Welt in Bewegung gesetzt, um das Fahrzeug aufzutreiben, zuzulassen und versichern zu lassen. Und nun das! Was war mit dem Wagen? Gefiel ihr die Farbe nicht? Die Karosse war silbern. Eine Originallackierung, wie Joes Bekannter ihm versichert hatte. Hätte er ihn doch schwarz lackieren lassen sollen? Oder rot? Oder war es das falsche Gefährt? Hätte er sich besser für das Cabrio gleichen Typs entscheiden sollen, das Joe ebenfalls hätte auftreiben können? Das war ebenso atemberaubend, wenn auch nicht ganz so legendär.
Warum also wollte Marlene den Wagen nicht?
Verzweifelt wählte er Florians Handynummer. Das hier war ein echter Notfall. Die Männer mussten zusammenhalten.
Marlene stellte die Wein- und Sektgläser auf die Arbeitsplatte. Valentin hatte es tatsächlich geschafft, das Küchenbord in neuem
Lack erstrahlen zu lassen. Sah man nicht allzu genau hin, dann sah es fast perfekt aus, was möglicherweise auch an den neuen, auf Hochglanz polierten Beschlägen lag.
Sie hatte den Tag wie in Trance verbracht. Es war eben doch nicht so einfach, sich edel und großherzig zu zeigen. Genau genommen war es sogar ein verdammt hartes Geschäft. Inzwischen musste sie nicht nur den Verlust ihrer Cheese-Cracker und ihres Ehemannes verschmerzen - sie war auch die Traumkarosse los! Ihr Glückskonto stand tief im Soll. So wie es aussah, würde es Jahre dauern, es auszugleichen, falls ihr das überhaupt je gelang. Kaum vorstellbar, dass es eine Bilanz auf der Welt gab, die schlechter ausfiel.
Trotzdem, sie hatte das Richtige getan, auch wenn es sich irgendwie falsch anfühlte. Man könnte auch sagen: idiotisch. Das Privileg, in einem Gullwing gefahren zu sein, würde sie immer als liebe Erinnerung in Ehren halten. Sie würde sie tief in ihrem Innern einschließen, um jederzeit davon zehren zu können.
Was dachte sich Valentin eigentlich dabei, sein schlechtes Gewissen mit einem derart großzügigen Geschenk zu beruhigen? War der Wagen eine Art Abfindung? Eine Prämie für ihre geleisteten Dienste als Ehefrau? Bestimmt waren die in Gold nicht aufzuwiegen, wenn Valentin sich zu derartigen Gaben verstieg. Oder glaubte er, sie mit der Nobelkarosse ködern zu können? Damit sie am Ende doch mit ihm nach England ging? Da hatte er sich aber geschnitten. Sie war nicht käuflich! Sie wollte diesen blöden Sportwagen nicht! Sollte Valentin ihn behalten. Sollte er ihn an den Sultan von Brunei verscherbeln
oder an den Aga Khan, falls der noch keinen hatte. Es war ihr egal. Vollkommen egal. Jawohl! Selbst wenn er ihr eine Flotte der begehrtesten Karossen der Welt vor die Tür stellte, sie würde keinen Blick an sie verschwenden. Na ja. Vielleicht würde sie kurz hinsehen. Nur ganz kurz. Mal schauen, das verpflichtete ja zu nichts.
Mit Karacho riss sie die Besteckschublade auf, als es an der Tür schellte.
»Mama?«
Marlene war kein bisschen überrascht.
»Die Party ist erst heute Abend. Es ist gerade mal vier Uhr.«
Warum klingelte Mama eigentlich? Sie wohnte doch praktisch hier. Warum hatte sie keine Schlüssel?
»Du gehst ja nichts ans Telefon!«
Ihre Mutter war schon an ihr vorbeigerannt und stand in der Küche. Sie entnahm ihrer überdimensionierten Einkaufstasche zwei Tupperschüsseln und stellte sie auf den
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