Vergiss es Baby - Roman
Küchentisch.
»Kind, wieso hast du denn nichts gesagt?« Mama entfernte die Alufolie und warf sie in den Papierkorb, während ihre Tochter sie fragend ansah.
»Frau Gruber kam gleich heute Morgen vorbei. Ist das nicht Ihre Marlene, hat sie gesagt. Und natürlich! Du bist es! Warum erzählst du deiner Mutter bloß nichts? Was ist los? George meint auch, du hättest mir was sagen müssen.«
»Wovon redest du eigentlich?«
Ihre Mutter zauberte die »Bild«-Zeitung aus den Untiefen ihrer Tasche hervor und schwenkte sie triumphierend. Marlene riss ihr das Blatt aus der Hand und las.
Geht Valentin Balakev nach England?
Noch dementiert der Manager des Mittelfeldspielers, man sei sich mit Manchester United bereits einig.
Frechheit! Mit ihr hatte niemand geredet. Abgesehen davon war sie nicht sein Manager, sondern seine Agentin, ein nicht unbedeutendes Detail.
Aus verlässlicher Quelle wurde bestätigt, dass der englische Topclub und Valentin Balakev in ernsthaften Verhandlungen stehen. Auch im Privatleben scheint es inzwischen wieder rund zu laufen.
Na toll! Das war ja sie! Irgendjemand hatte den Auslöser betätigt, gemacht, als sie im anatolischen Outfit das Haus verließ. Die Zeitung war sich nicht zu blöd, das Foto mit folgender Unterzeile zu zieren:
Ist die geheimnisvolle Türkin die Neue in Valentins Leben? Tritt der Fußballer nun zum Islam über?
Das also kam dabei heraus, wenn man seine Mutter zu einer Party einlud! Und dann dieses Foto! Mr. X musste es gemacht haben. Nur merkwürdig, dass es erst jetzt zu sehen war.
»Also, Kind, ich weiß ja, dass dir mein Rat nicht sonderlich viel bedeutet, wenn es um deine Kleidung geht.« Ihre Mutter hatte einen großen Löffel gefunden und rührte hingebungsvoll den Nudelsalat um, den sie mitgebracht hatte.
»Umso mehr freut es mich natürlich, dass du diesmal anscheinend auf mich gehört hast.« Sie spülte den Löffel ab, nahm den Deckel von der anderen Schüssel und stach ihn dann ins Tsatsiki. Marlene warf ihr einen überraschten Blick zu. »Auch wenn ich mir doch etwas anderes als ein Kopftuch vorgestellt habe, als ich dir riet, mal etwas Unkonventionelles zu tragen.«
Als ihre Mutter sie endlich allein ließ, hatten sie Marlenes Beziehung zu Herrn Valentin Balakev aus jedem nur erdenklichen Winkel beleuchtet. Mama hatte sie getröstet, ihr ein Glas Prosecco eingeschenkt und ihr geraten, einen Therapeuten aufzusuchen, um, wie sie sich ausdrückte, ihr Beziehungsvermeidungsverhalten zu kurieren. Dann war sie endlich abgeschwirrt, um letzte Hand an die Verschönerung ihrer selbst zu legen, und Marlene blieb gerade noch Zeit für eine Dusche, bevor die ersten Gäste eintrafen.
Sie entschied sich für ein schwarzes, eng anliegendes Etuikleid, das sie kürzlich bei H&M gekauft hatte. Zusammen mit dem sorgfältig aufgelegten Make-up verlieh es ihr eine geheimnisvolle Aura. Das war zumindest die Meinung der jungen Verkäuferin gewesen, die ihr zum Kauf geraten hatte. Rosanna schien das ähnlich zu sehen und überschüttete Marlene mit Komplimenten. Damit befand sie sich in bester Gesellschaft. Selbst Mama hatte ausnahmsweise einmal nichts an ihrer Kleidung auszusetzen.
»Du siehst toll aus«, meinte auch Florian und schnalzte anerkennend mit der Zunge.
»Lenk nicht ab.« Rosanna, noch in Jeans und T-Shirt, stellte Weinflaschen in den Kühlschrank und legte Korkenzieher und Flaschenöffner bereit. Mama verschwand, wohl um das Wohnzimmer zu inspizieren.
»Ach, jetzt ist das alles also meine Schuld?« Empört sprang Florian von seinem Stuhl auf. Er schien ganz und gar nicht in Partylaune zu sein, eher war er wütend.
»Ich kann nun mal nicht mitansehen, wie Marlene leidet, das ist alles«, sagte Rosanna, als würde das irgendetwas erklären.
Sie setzte sich an den Küchentisch und mühte sich mit einer Flasche Prosecco ab. Ohne die anderen zu fragen, schenkte sie jedem ein Glas ein, nachdem sie hinter das Geheimnis gekommen war, wie man sie öffnet.
»Egal was ich gesagt habe, Marlene, vergiss es einfach«, sagte sie. »Ich hab da wohl ein wenig vorschnell geurteilt. Schnapp dir den Typen, und werde mit ihm glücklich!« Sie runzelte die Stirn. »Genieße es, solange es dauert.«
»Das sagst du doch nur, weil du etwas gutzumachen hast«, mischte Florian sich ein. Immerhin hatte er sich inzwischen wieder hingesetzt und nippte an seinem Glas.
Marlene war mit ihren Gedanken woanders und hörte nur halbherzig zu.
»Niemand ist schuld«, beruhigte sie ihre
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