Vergiss mein nicht
was ist mit dir, Kleines?«, fragte Sara. » Hat Mark dich je angefasst?«
Sie blickte zur Seite.
» Lacey?«
Sie schüttelte heftig den Kopf, aber Sara glaubte ihr nicht. Sie war immer noch hin und her gerissen, was Mark Patterson betraf. Einerseits war er ein Opfer, aber es bestand auch kein Zweifel daran, dass er aktiv an Missbrauch beteiligt gewesen war.
Lacey sagte: » Mark war lieb zu mir.«
Sara kommentierte das nicht. » Hat Dottie jemals Fotos von dir gemacht?«
» Nein«, sagte sie. » Aber von Mark und Jenny. Von denen haben sie Fotos gemacht, und manchmal haben sie die beiden auch gefilmt. Da bin ich selbst mal dabei gewesen.«
» Aber du hast das nie gemacht?«
Lacey hatte schon wieder die Finger im Mund. » Mark hat gedroht, wenn er mich dabei erwischt, dann würde er es Daddy sagen.«
» Mark wollte nicht, dass du so was tust?«
» Ich wollte aber«, entgegnete sie schmollend wie ein trotziges kleines Mädchen. » Jenny durfte, und deswegen konnte sie mit zu einer Party und es mit ’ner Masse Jungs treiben.«
» Glaubst du denn, dass Jenny das gerne getan hat?«
» Ich hab’s einmal versucht, und Mark hat es herausgefunden.« Sie ließ die Hand in den Schoß fallen. » Da hat er mich dann verprügelt.«
Sara musste das erst verdauen. Sie hätte im Traum nicht gedacht, dass Mark versuchte hatte, seine Schwester zu beschützen.
» Deswegen ist Mark festgenommen worden, nicht wahr?«
Lacey schien erstaunt zu sein, dass Sara davon wusste. » Ja.«
» Aber deinem Vater hat er nichts gesagt?«
» Ich hab gesagt, wenn er das tut, sag ich Daddy das von ihm und Mama.«
Das » von ihm und Mama« klang so monoton, als seien diese Worte wieder und wieder benutzt worden. Sara malte sich aus, dass Lacey diese Drohung oft ausgesprochen hatte. Irgendwie war sie ja noch ein Kind, und die meisten Kinder würden nichts unversucht lassen, um ihren Willen durchzusetzen.
» Ich mochte das sowieso nicht«, sagte Lacey. » Ich hab ihm gesagt, dass ich das nicht mehr machen würde. Mir gefiel das nicht.« Sie runzelte die Stirn. » Dottie war gemein bei solchen Sachen. Ganz anders, als sie war, wenn wir gespielt haben.«
» Du hast mit ihr gespielt?«
» Manchmal kam sie als Babysitter zu uns.« Lacey schmunzelte. » Sie spielte mit uns dann dieses Spiel, wo wir uns alle fein anzogen haben, und dann ist sie mit uns ins Kino gegangen. Wir durften so angezogen bleiben.«
» Das klingt nett.«
» Sie war aber nicht immer so.« Lacey kratzte eine verschorfte Wunde an ihrem Bein auf. » Manchmal war sie richtig fies, und dann mochte ich sie gar nicht.«
» Das verstehe ich gut«, sagte Sara zu ihr. » War sie eigentlich diejenige, die von Reinheit gesprochen hat?«
Ruckartig hob Lacey den Kopf. » Wo haben Sie das denn gehört?«
Sara entschloss sich zu einer Lüge. » Mark hat es mir erzählt.«
» Das würde er Ihnen niemals erzählen.«
» Bist du sicher?«
Sie zuckte nur die Achseln, und Sara merkte, dass sie nicht sicher war. » Dottie wurde wütend auf Jenny und sagte, dass sie davon besessen wäre.«
» Besessen von was?«
» Was sie da drüben mit kleinen Mädchen machen«, murmelte sie. » Jenny hat letztes Jahr diesen Schulaufsatz über Afrika geschrieben und über die verschiedenen Stämme. Sie sagte, die Frauen da hätten das Glück, dass sie immer alle zu anderen Menschen gehörten. Zu ihren Daddys oder zu ihren Ehemännern, und solange sie das Richtige taten, waren sie sicher.«
» Glaubst du das auch, Lacey?«
Sie beachtete Saras Frage nicht. » Dottie wurde deswegen wütend. Aber Jenny wollte nicht damit aufhören. Nicht mal, als Mama kam und ihr gesagt hat, dass es reicht.« Sie drehte den Kopf zur Seite. » Mama schafft es oft, Leute zu etwas zu zwingen. Das kann sie gut.«
Sara atmete tief durch, um sich darauf vorzubereiten, was dieses Kind zu enthüllen hatte. Sie fragte: » Also haben deine Mum und Dottie von Jenny verlangt, dass sie aufhört, von dieser Verstümmelung zu reden?«
» Sie hatten Angst, dass Jenny in der Schule Ärger kriegen könnte. Also mussten sie was tun, um das zu verhindern. Ein Vertrauenslehrer kam zu ihnen nach Hause. Dottie sagte, der würde wegen dem, was Jenny erzählt hatte, die Polizei rufen.«
» Wegen dieser Beschneidung von Mädchen?«, fragte Sara, die sich nicht erklären konnte, wie ein Mädchen von Selbstverstümmelung besessen sein konnte.
» Jenny hat gesagt, die Frauen da drüben brauchten sich keine Gedanken zu machen über so ’n
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