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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Clarke
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wäre echt nervig, sich wegen falschem Alarm so einen Stress zu machen.
    Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, mit wem sie geschlafen hatte. Sal hätte nicht einfach mit irgendwem Sex – sie war viel zu wählerisch dafür. Oh Gott, vielleicht ist sie vergewaltigt worden. Das könnte erklären, warum sie sich weigert, mir zu erzählen, was passiert ist. Ich wollte sie sofort wecken und fragen. Aber sie sah so friedlich und ruhig aus – ich brachte es einfach nicht übers Herz.
    Ich fand, dass eine Tasse Tee jetzt genau das Richtige war. Nichts ist besser als eine Tasse Tee in einer Krise. Also ging ichin die Küche und setzte Wasser auf. Lehnte mich an die Arbeitsplatte und nippte an meinem Tee. Meine Gedanken überschlugen sich – sie schienen keine fünf Sekunden bei einem Thema bleiben zu können, ohne gleich zum nächsten zu flitzen. Wie konnte das passieren? Und warum zum Teufel hatte sie nicht die Pille danach genommen? Und wo war ich, als das alles passiert ist? Ostern. Es muss an Ostern passiert sein. Wenn ich hier gewesen wäre, wäre das alles vielleicht gar nicht passiert. Meine Schuld?
    * * *
    Das ist aber jetzt ein Zufall. Gerade noch rede ich von einer Tasse Tee, und wer kommt rein? Ethan, der Mystery Man, mit einem (weißen) Becher dampfend heißem Tee. Er stellt den Becher vor mir ab, ganz vorsichtig auf die Tischecke, weit weg vom Papier, auf dem ich schreibe. Ein ganz schöner Stapel mittlerweile. Sieht aus, als würde es ein ziemlich dicker Wälzer werden. Es ist jetzt schon mehr als alle meine Fehlversuche, den Roman zu schreiben. Vielleicht hätte mir schon früher so was passieren sollen. In der echten Welt sind zu viele Ablenkungen, es gibt immer einen Grund, nicht zu schreiben. Wenn das hier nur der Fall wäre.
    Der Tee ist gut. Kochend heiß und nicht zu stark. Es ist die erste Tasse Tee, seit ich hier bin. Vielleicht hat Ethan sie als eine Art Belohnung aufgehoben? Mit den Fingern um den Becher kauere ich darüber. Es fühlt sich an wie ein prasselndes Feuer. Oder eine Umarmung. Eine Umarmung wäre jetzt schön. Arme, die sich um mich legen und alles Böse verscheuchen.
    Ich bin fertig. Und mir ist gerade aufgegangen, dass ich die perfekte Gelegenheit verpasst habe, Ethan zu überrumpeln. Ich hätte ihm den Tee ins Gesicht kippen und abhauen können.
    Hätte ich das tun können?
    Könnte ich es das nächste Mal tun?
    Ich weiß es nicht.
    Warum bin ich so jämmerlich? Irgendwie muss ich hier rauskommen … oder?
    * * *
    Muss ich hier rauskommen? Warum sollte ich zu dem riesigen Haufen Scheiße zurück, der mein Leben ist? Nichts wird sich geändert haben. Ich frage mich, wie sie sich fühlen. Ich wette, sie sind froh, dass ich weg bin. Macht es ihnen wahrscheinlich sehr viel leichter. Vielleicht sind sie (oder tun so, als wären sie) ein wenig aufgebracht, aber ich denke, sie kommen über kurz oder lang drüber weg.
    Huh, ich frage mich, ob ich in der Zeitung stehe? Müsste ich eigentlich, es sei denn, sie denken, ich bin zu alt. »Siebzehnjährige vermisst« klingt nicht ganz so gut wie ein vermisstes Kleinkind, oder eine Zwölfjährige. Wahrscheinlich hab ich es nur am ersten Tag in das regionale Schmierblatt oder so geschafft. Ich hoffe, es war auf der ersten Seite, aber ich hoffe wirklich wirklich wirklich, dass sie nicht mein letztes Schulfoto genommen haben, weil ich vergessen hatte, dass der Fotograf an dem Tag kam und so schlimm verpennt hatte, dass ich mir nicht mehr die Haare waschen konnte. Eklig.
    Mum musste wahrscheinlich Sal nach einem vernünftigen Foto fragen, weil wir unsere Kamera schon seit Jahren nicht mehr benutzt haben. Wir haben nicht mal eine digitale. Dad war bei uns der, der immer fotografieren musste. Es gibt Fotos von mir zu Hause. Acht ganze Alben voll, um genau zu sein. Alle sorgfältig datiert und beschriftet, im Schrank hinter dem Fernseher versteckt, unter einer ramponierten Trivial-Pursuit-Schachtel. Die (fast) komplette Kindheit der Grace Carlyle. Mum wird sich jetzt wünschen, sie hätte sich mehr Mühe gegeben, sie aktuell zu halten.
    Vielleicht hat Sal ihnen das Foto gegeben, das sie gemacht hat, als ich auf dem Rückweg von einem Konzert war. Obwohl, die Zeitung würde das nicht drucken – ich sehe aus wie eine Leiche. Also, falls Leichen sabbern. Das würde sie mir nicht antun, oder?
    Wem versuch ich da was vorzumachen?
    Ich hoffe echt, es ist das von Kirstys Party. Sal überraschte mich, sie rief meinen Namen, damit ich mich umdrehe, und

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