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Vergissmichnicht

Vergissmichnicht

Titel: Vergissmichnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Maria Bast
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Gruber böse.
    Während er noch in seine erotisch-düsteren Gedanken versunken war, sah er aus dem Augenwinkel, dass sich ein älteres Paar seinem Wahlstand näherte. Wolfgang Gruber brachte seine Mundwinkel flugs in die richtige Position – eine Fratze von einem Lächeln – und sah dem Paar erwartungsvoll entgegen.
    »Herr Gruber!«, begrüßte ihn der Mann. »Mir sind Altkonschdanzer. Die wahren Altkonschdanzer.« Und wie es sich für einen wahren Altkonstanzer gehörte, sprach der Mann das t von Konstanz als weiches d und das s als sch aus. Auch Gruber sagte stets Konschdanz statt Konstanz. Was ihm freilich die Sympathien zahlreicher Wähler einbrachte. Die Fraunhoff zum Beispiel sagte Konstanz und sprach das s auch noch übertrieben scharf aus. Was noch einmal bestätigte, wie dumm das Weib war, dachte Gruber verächtlich. Es war doch nicht schlimm, den Namen der Stadt so auszusprechen, wie es den Wählern gefiel. Tatsächlich aber fand er das ganze Gehabe um Konstanz und Kon sch danz ziemlich albern und als das Ehepaar nun vor ihm stand, dachte er: um Gottes willen. Noch solche Spinner. Aber er sagte: »Es ist mir eine Ehre, dass Sie sich die Mühe machen, an meinen Stand zu kommen. Haben Sie mein Wahlprogramm schon gelesen?« Er nahm einen seiner Flyer von dem Bistrotisch, auf dem auch Gummibärchen für die Kinder und Kugelschreiber mit seinem Wahlslogan lagen. ›Für Tradition und Zukunft. Wolfgang Gruber. Ihr Oberbürgermeisterkandidat.‹ Doch der Mann ignorierte den Wahlflyer, den Gruber ihm hinhielt.
    »Wa wend Se gegge die viele Tourischde in de Schdad undernämme? Hä? Im Sommer werded mir ja regelrecht überrollt!«, schimpfte er stattdessen, funkelte Gruber vorwurfsvoll an und fuchtelte mit seinem Zeigefinger vor dessen Nase herum.
    Gruber fluchte innerlich. Jetzt musste er aufpassen. Den Einzelhändlern hatte er gesagt, dass er den Tourismus in der Stadt noch fördern wolle, um mehr Kapital nach Konstanz zu bringen. Aber er konnte dieses Paar nicht abblitzen lassen. Er brauchte jede Stimme, Teufel noch eins, die Gegenkandidaten hatten viel mehr Gesprächspartner an ihren Ständen.
    »Was stört Sie denn am Tourismus in Konstanz?«, fragte er, noch um eine Antwort ringend.
    »Des hon i Ihne bereits gseid. Höret Se eigentlich it zue?«, donnerte der Mann, dessen Gesicht inzwischen eine bedenklich rote Färbung angenommen hatte. Und seine Halbglatze war im Begriff, sich der Gesichtsfarbe anzupassen.
    »Hans-Ernschd, bidde. Des isch mir etzt peinlich«, flüsterte seine Gattin, eine beleibte Dame mit ordentlich nebeneinanderliegenden blonden Locken, und zupfte ihren Gemahl am Arm.
    Aber Hans-Ernschd ließ sich nicht beruhigen und schüttelte die Hand seiner Frau entnervt ab.
    »Wenn Se etzt scho it zuhöret, wo Se doch zumindescht so tue müsset, als interessierten Se sich für die Meinung der Leute, wie soll des denn erscht wärre, wenn Se Burgermorschter sind?«, wetterte er.
    Gruber spürte, wie die Wut in ihm zu brodeln begann. Es war dieser feuerrote, alles überdeckende Jähzorn, dem er schon so oft hilflos ausgeliefert gewesen war.
    Das durfte ihm jetzt nicht passieren. Das wäre ein gefundenes Fressen für die Konkurrenten. Und da drüben sprang auch noch diese dumme Ziege vom Südkurier rum, von der er ohnehin den Eindruck hatte, dass sie ihn nicht mochte und über alle anderen Kandidaten viel freundlicher – und vor allem öfter – berichtete, als über ihn.
    Gruber holte tief Luft und setzte zu einer glatten Lüge an: »Glauben Sie mir, Ihr Problem liegt mir sehr am Herzen und ich werde alles tun, um eine Lösung zu finden.«
    Hans-Ernschd gab sich nicht zufrieden. »Leere Versprechungen send des und nichts weiter«, argwöhnte er. Wahrscheinlich weil es sich leichter ›Du Arschloch‹ als ›Sie Arschloch‹ sagt, ging der bruddelige Konstanzer zum Du über: »Und wenn du gewählt bischt, dann läscht du es dir mit unseren Steuergeldern gut gehen!«, prophezeite der Senior und stieß dabei seinen Zeigefinger energisch in Grubers Richtung.
    Genau in dem Moment, als das Feuerrot in Grubers Inneren so heiß wurde dass es ihn zu versengen drohte, und er im Begriff war, Hans-Ernschd und seine Frau mit derben Beschimpfungen von seinem Stand zu jagen, klingelte sein Handy. Eigentlich würde er es sich niemals erlauben, inmitten eines Wählergesprächs abzuheben, aber diesmal bot das Telefon eine willkommene Ablenkung. »Sie entschuldigen? Meiner Frau geht es nicht gut«, griff Gruber zu einer

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