Vergraben
enge weiße Bluse mit großem Kragen an, den sie über dem Aufschlag ihres Blazers trug. Sie wirkte fleißig, geschäftig, fröhlich, klug.
Er folgte ihr an ihren Platz. Auf ihrem Bildschirmschoner war HOLLY FOX und ihre Handynummer zu lesen.
Sie bot ihm eine Tasse Tee an. Er nahm dankend an.
Sie hatte einen Assistenten, der den Tee machte. Nathan war an einem Punkt seines Lebens angekommen, wo es immer einen Assistenten gab, der den Tee machte. Dieser Assistent war ein junger Inder in Anzug und Krawatte. Er konnte höchstens achtzehn sein.
Holly Fox stellte Nathan ein paar Fragen. Er hustete in seine Hand, bevor er antwortete. Seine Kehle war sehr trocken.
»Entschuldigung«, krächzte er. Und sie winkte ab, als sei sein Husten eine Kleinigkeit und ein Vergnügen zugleich. Nathan wusste, dass sie das tat, weil sie seine Daten in ihre Kundendatei aufnehmen wollte, woraufhin sie ihm ein Haus zum höchstmöglichen Preis verkaufen würde. Wenn ihre Einkünfte umsatzabhängig waren, war sie vermutlich darauf angewiesen.
Nathan wurde nicht nach seinem Umsatz bezahlt, aber das Gehalt der Handelsvertreter hing zum Teil von ihrem Umsatz ab, und er wusste genau, wie viel Unruhe das auslösen konnte – besonders in den langen, toten Monaten nach Weihnachten. (Deshalb liebten die Vertreter den Valentinstag und fingen an, auch Ostern zu mögen.)
Der Tee kam. Er wurde in einer feinen Porzellantasse mit Untertasse serviert, was Nathan als nettes Detail empfand, nur war die Untertasse leider angeschlagen.
Nathan spürte, wie seine Kraft zurückkehrte, um weiterzumachen.
Er lächelte sie an. Das Lächeln entfachte etwas in ihm, eine gewisse Schüchternheit.
Holly holte eine Din-A4-Mappe heraus. Sein Name war mit einer riesigen Büroklammer darangeheftet. Die Mappe enthielt etwa dreißig Din-A4-Seiten, die Holly durchblätterte. Sie zog ein, zwei Blätter aus dem Stapel heraus und runzelte dabei hoch konzentriert die Stirn. Dann verknüllte sie die Blätter zu einer Kugel und warf sie in den Papierkorb.
Durch eine solche Demonstration geistiger Leistung wurde das Gefühl von »komplett individuellem Service« geschaffen, das die Agentur in der Anzeige versprach.
Holly zeigte ihm die Beschreibungen von drei viktorianischen Häusern, zwei Wohnungen in umgebauten viktorianischen Häusern und einem Loft in einem Viertel, in das er vor Angst nicht einmal zu Besuch gehen, geschweige denn hinziehen würde. Die Verhandlungsbasis lag bei allen Angeboten ein klein wenig über dem absoluten Maximum, das Nathan genannt hatte – das war ein Trick, mit dem er nicht gerechnet hatte, der aber rückblickend auf der Hand lag.
Er sagte ihr, dass er sich nicht für Lofts interessierte, und dass – obwohl die Türklinken aus gebürstetem Edelstahl sehr verlockend aussahen – ihm die Wohnungen ziemlich überteuert vorkamen. Blieben noch die drei Häuser. Alle drei lagen in verschiedenen Straßen derselben Siedlung, alle gehörten demselben Bauträger.
»Möchten Sie sie besichtigen?«
»Das wäre toll, wenn das geht.«
»Selbstverständlich. Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment.«
Sie kam mit einem karamellfarbenen Regenmantel über dem Arm und einer kleinen, teuer aussehenden Handtasche in der Hand zurück. Sie trug einen Ring am rechten Mittelfinger (ein einzelner Diamant in Platinfassung) und eine dünne Halskette, aber keinen weiteren Schmuck. Sie hatte feines Parfüm aufgelegt. Nathan dachte an ein teures Kaufhaus.
Er folgte ihr in den hinteren Teil des Büros, vorbei an der winzigen, ziemlich schmuddeligen Küche, in der sein Tee zubereitet worden war, und durch eine Hintertür auf einen schlammigen Hof, wo mehrere Autos standen. Holly hüpfte an den Rändern der seichten Pfützen entlang, verzog angewidert das Gesicht und rief: »Igitt!«
Dann schloss sie einen schwarzen VW Golf auf und setzte sich ans Steuer. Nathan schnallte sich auf dem Beifahrersitz an und meinte: »Schönes Auto.«
Holly sah über die Schulter nach hinten, während sie rückwärts auf die Straße fuhr.
Konzentriert antwortete sie: »Es ist eben ein typisches Maklerauto.«
»Na, dann passt es ja, oder?«
Mit ein paar hektischen Zügen, wobei sie das Lenkrad durch ihre Hände gleiten ließ wie eine Rallyefahrerin, wendete sie und raste dann mit einem Ruck in den Verkehr. Routiniert und herablassend majestätisch hob sie die Hand, um dem Kleinbusfahrer zu danken, der im Angesicht seines sofortigen Todes gezwungen gewesen war, sie
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