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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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hereinzulassen.
    Sie schaltete das Radio ein. Nathan hörte nur noch selten Radio – da er sich die Psychopathologie des DJs vorstellen konnte, hatte er keinen Spaß mehr daran. Dann klingelte Hollys Handy, und sie nahm den Anruf entgegen – ihrerseits bestand er vor allem aus Ja. Ja. Wann? Nicht wirklich. Okay. Na ja, schau mal, ob du kannst –, während sie mit einer Hand so schnell fuhr, wie es die physikalischen Gesetze, nicht etwa die Straßenverkehrsordnung, zuließen.

    Genau wie in der Beschreibung angegeben, lag das erste Haus in einer »ruhigen, von Bäumen gesäumten Straße«. Aber in der Beschreibung war nicht erwähnt worden, dass daneben ein Elektrizitäts-Unterwerk lag, das katzenartig und bedrohlich fauchte. Der Garten war nur durch einen morschen Holzzaun von einer Eisenbahnlinie getrennt.
    Holly schloss ihm die Haustür auf. Das Haus war dunkel. Dunkelheit war am oberen Ende der Treppe, und Dunkelheit war im hinteren Teil der Diele. Er tat so, als untersuche er den Rahmen der Eingangstür, während sie die Lichter einschaltete und sagte: »Die Tür ist neu. Sehr solide. Sehr sicher.«
    »Gut«, sagte Nathan, als sei ihm das wichtig, dann trat er über die Schwelle.
    Im leeren Haus hallten ihre Schritte wider. Sie führte ihn in das durchgehende Wohnzimmer (aus Vorder- und Hinterzimmer war ein einziger großer Raum gemacht worden) und zeigte ihm die Einbauküche. Das PVC-Fenster der Küche lag zum Garten hinter dem Haus, den der Bauträger noch nicht aufgeräumt hatte. Eine rostige alte Schubkarre stand neben einem Stapel Ziegelsteine, ein Haufen nasser Sand lag auf der Terrasse.
    Die Küche war gerade erst eingebaut worden und bestand aus billigem Material: Ahorn-Nachbildung auf Spanplatte. Er machte ein paar Schränke auf und sah in den Ofen. (Eine noch eingeschweißte Gebrauchsanweisung lag in der makellosen Grillpfanne.)
    Selbst Nathan war klar, dass diese Küche innerhalb weniger Monate, wenn nicht Wochen, auseinanderfallen würde. Aber er stand da, klopfte sich Sägemehl von der Hose und sagte: »Ja, das gefällt mir.«
    Er folgte ihr nach oben.

    Das zweite Haus war ähnlich, aber kleiner. Das »Arbeitszimmer« war kaum groß genug für einen kleinen Tisch und einen Laptop. Aber es lag in einer schöneren Straße mit besserer Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel und in der Nähe einiger Läden. Das dritte Haus war am größten, grenzte aber direkt an einen extrem abschreckend aussehenden Sozialwohnungsblock, dessen Ruf Nathan gut kannte.
    Vor dem dritten Haus stiegen sie in ihr Auto. Sie schaltete die Heizung ein.
    »Ich möchte Ihnen keinen Druck machen. Aber was meinen Sie? Sind wir auf dem richtigen Weg?«, fragte sie.
    »Ja, auf jeden Fall. Ich werde es mir auf jeden Fall überlegen.«
    »Ich bin sicher, dass Mr. Hinsliffe mit sich reden lässt«, sagte Holly. Mr. Hinsliffe war der Bauträger. »Das Geschäft läuft zurzeit nicht besonders gut.«
    »Okay«, sagte Nathan. »Das werde ich mir merken. Ich überlege es mir.«
    »Gut. Machen wir es so: Ich rufe Sie an, wenn ein Objekt auf den Markt kommt, das Sie interessieren könnte. Es kommt ständig was rein und geht gleich wieder raus, besonders am Wochenende. Um neun Uhr morgens kann etwas Tolles reinkommen und bis Mittag verkauft sein. Das kommt ständig vor. Der Markt ist stabil. Aber Sie sind in einer guten Ausgangsposition, um zu kaufen, mit bewilligtem Darlehen, unabhängig, deshalb kann ich Sie bevorzugt behandeln. Wie finden Sie das?«
    Er nickte, als hätte sie das mit außerordentlicher Klugheit und Liebenswürdigkeit gesagt und nicht rundheraus ihrer früheren Behauptung, dass das Geschäft zurzeit nicht besonders gut lief, widersprochen.
    Er dachte: Ich habe deine Schwester im Dunkeln allein gelassen.
    Er sagte: »Das klingt super.«
    »Schön.«
    Sie ließ ihn an der Hauptstraße aussteigen.
    Ohne Eile fuhr er mit dem Bus nach Hause.

    Als er zu Hause ankam, stellte er fest, dass seine Wohnung sich verändert hatte. Die Zimmerecken wirkten spitzer. Die Wände schienen ihn zu erdrücken.
    Er lag im Bett und starrte an die Decke. Im unruhigen Halbschlaf erschien ihm die Wohnung zweidimensional – eine Zeichnung auf einem Papierfetzen, auf den auch er draufgekritzelt war und der gleich von einer riesigen Hand zu einer Kugel zusammengedrückt und weggeworfen werden würde.

15
    Holly rief ihn am Samstagmorgen zu Hause an. Sobald das Telefon klingelte, wusste er, dass sie es sein musste. Außer wenn es eine Krise bei

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