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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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Arbeitszimmer ein.«
    »Okay.«
    »Es eignet sich gut als Arbeitszimmer.«
    »Ja.«
    »Gut. Ich werde mal schauen, was wir haben. Dann sollten Sie am besten mal vorbeikommen und kurz persönlich mit mir sprechen. Ich möchte Ihnen nichts zeigen, was Sie nicht interessiert.«
    »Okay.«
    »Gut. Wann würde es Ihnen passen?«
    »Immer ab fünf. Außer dienstags und donnerstags normalerweise.«
    »Gut, also montags, mittwochs und freitags.«
    »Außer am ersten Montag des Monats.«
    »Okay.«
    Entweder sah sie wirklich in ihrem Terminkalender nach, oder sie tat nur so. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Februar ein besonders stressiger Monat war, wenn man Häuser verkaufte.
    »Wie wär’s nächsten Mittwoch? Um fünf?«
    Jetzt war Freitagnachmittag.
    Um einen Panikanfall zu überspielen, tat Nathan so, als sähe auch er in seinem Kalender nach.
    Eigentlich wusste er ganz genau, dass er am Mittwochnachmittag um 17.15 Uhr einen Termin hatte. Und zwar keinen, den er absagen konnte – der Einkäufer einer kleinen, aber möglicherweise gewinnbringenden Schreibwarenhandelskette war mit Hermes’ bisherigem Service unzufrieden. Aber Nathan sagte: »Mittwoch ist super.«
    »Schön«, sagte Holly. »Bis dann also.«
    »Schön.«
    »Nur so aus Interesse, woher kannten Sie meinen Namen?«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben nach mir persönlich gefragt. Kennen wir uns?«
    »Nein.«
    »Das dachte ich auch nicht.«
    »Ein Freund hat Sie mir empfohlen. Eher ein Kunde.«
    »Verstehe. Na so was hört man immer gern.«
    »Ja«, sagte Nathan. »Bis Mittwoch.«
    »Bis Mittwoch«, sagte Holly Fox und legte auf.
    Nathan saß da und starrte das Telefon an, als könnte es jeden Moment wie ein Frosch in die Luft springen und nach ihm schnappen. Aber es stand einfach da, bis es wieder klingelte, ganze fünfzehn Minuten später, und ihn damit fast zu Tode erschreckte.

14
    Bis Dienstag ging es ihm ziemlich gut. Aber am Mittwoch konnte er nicht zur Arbeit gehen. Er lag im Bett, bis die Sonne ihre Bahn vollendet hatte und unterging. Als er um 15 Uhr endlich aufstand, kam ihm das immer noch zu früh vor.
    Er konnte nicht einmal Auto fahren. Er saß am Steuer seines BMW und umklammerte das kalte Lenkrad. Die letzten Eltern holten gerade mit vor Kälte geröteten Gesichtern ihre Kinder von der Kindertagesstätte ab: tollpatschige Bündel in dicken Wintermänteln und Mützen und bunten Gummistiefeln.
    Er bestellte ein Taxi und wartete an seinen BMW gelehnt in der Kälte, bis es vor dem Tor hielt. Er wusste, dass er die Sache nicht durchziehen würde, wenn er sich ins Auto setzte oder ins Haus zurückging.
    Das Taxi kam zehn Minuten zu spät. Alle Kinder waren bereits abgeholt worden. Durch die hell erleuchteten, vorhanglosen Erkerfenster sah er den Erziehern beim Reden und Lachen und Aufräumen zu.
    Der Taxifahrer schien sich Nathans Stimmung anzupassen und schwieg. Nathan bat ihn, ihn am Anfang der Blackstock Road abzusetzen. Er brauchte den Spaziergang. Er bezahlte den Fahrer, zündete sich eine Zigarette an und vergrub die Hände tief in den warmen Manteltaschen. Leute drängten sich an Bushaltestellen eng aneinander.
    Er brauchte weitere zehn Minuten, bis er dort war.
    Das Innere des Immobilienbüros wurde durch Anzeigen im Fenster verdeckt, die Häuser und Wohnungen zum Kauf und zur Miete anpriesen.
    Als er eintrat, kam ihm ein Schwall warme Heizungsluft entgegen. Das Büro war schlicht eingerichtet, junge Männer und Frauen saßen in dunklen Anzügen hinter ihren Computern. Der Wartebereich bestand aus einem niedrigen Couchtisch, auf dem Immobilienzeitschriften ausgebreitet lagen, ein paar Zimmerpflanzen, einem Wasserspender. Ab und zu klingelten die Telefone, trällernd wie Vögel in der Ferne.
    Nathan schlug eine Zeitschrift auf und tat so, als würde er lesen.
    Dann sagte eine Frau seinen Namen, und er sah auf, und da war sie. Sie lächelte und streckte ihm die Hand entgegen.
    »Sie müssen Nathan sein.«
    Er konnte sich nicht bewegen. Er legte die Zeitschrift zurück und hustete und schüttelte ihr die Hand und lächelte.
    »Tut mir leid, dass ich zu spät gekommen bin.«
    Aus der Nähe war sie unverkennbar Elises Schwester. Der Winkel, in dem sie den Kopf leicht schräg hielt. Sie musste Ende zwanzig sein. Kleiner als Elise, weicher. Ihr Haar war viel länger, sie hatte rote Korkenzieherlocken, die ihr über die Schultern fielen. Sie blies sich eine Strähne ihres Ponys aus der Stirn. Sie hatte einen anthrazitfarbenen Hosenanzug und eine

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