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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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müssen. Aber Nathan konnte nicht helfen und gleichzeitig die Schaufeln tragen.
    »Einer von uns muss zurückkommen, um sie zu holen«, flüsterte Bob. »Wir losen.«
    »Scheiß drauf. Werfen wir einfach alles in den Fluss.«
    »Was?«
    »Verdammt noch mal. Wir hatten Handschuhe an. Wir haben nicht geblutet oder gespuckt oder sonst was. Der Fluss wird alle Spuren abwaschen. Und er wird die Teile verstreuen: Er wird sie den ganzen Weg stromabwärts mitnehmen. Vielleicht bis ins Meer, in den Ozean. Es ist das Sicherste, was wir tun können.«
    »Bist du wahnsinnig ?«
    »Nein, wahnsinnig ist, sie auszugraben und dann in deinem Kofferraum mit nach Hause zu nehmen. Warum können wir sie nicht einfach jetzt loswerden?«
    »Wir würden zu viel dem Zufall überlassen.«
    »Nicht so viel, wie wenn wir um vier Uhr morgens mit einem verdammten Skelett im Kofferraum hier wegfahren.«
    »Wenn wir das Beweismaterial aus der Hand geben, es einfach in den Fluss werfen, müssen wir uns für den Rest unseres Lebens Sorgen machen, dass es irgendjemand irgendwie findet – und identifiziert. Und wir müssten jede Nacht ins Bett gehen mit der Befürchtung, dass wir einen Hinweis hinterlassen haben, irgendeine Spur, die zu uns zurückverfolgt werden kann. Himmel, was weiß ich – vielleicht steckt ein Haar von dir zwischen ihren Zähnen oder sonst wo, vielleicht hat es sich dort verfangen, als du den Schädel vom Boden aufgehoben hast.«
    »Der Fluss würde es wegwaschen.«
    »Vielleicht ja. Vielleicht auch nicht. Willst du das riskieren?«
    »Das Haar würde verwesen.«
    »Vielleicht würde das kalte Wasser es konservieren.«
    »Fuck«, fluchte Nathan, weil er wusste, dass Bob recht hatte.
    Sie starrten einander wütend an und blickten dann auf die in Plastik gewickelten Überreste.

    Sie klebten die Schaufeln an dem Bündel fest und trugen es zwischen sich wie eine Bahre. Der Rückweg dauerte lange. Sie ließen mehrere Hundert matschige Fußabdrücke zurück. Sie schalteten die Taschenlampen nicht ein, und es war sehr dunkel. Weil ihre Arme erschöpft waren, wurden Elises Überreste schließlich sehr schwer.
    Als sie wieder beim Auto angelangt waren, zogen sie ihre Schuhe aus und warfen sie in einen schwarzen Müllsack. Sie zogen ihre Kleider aus und warfen diese in einen weiteren Müllsack. Im Kofferraum standen sechs große Flaschen Evian. Zuerst löschten sie damit ihren Durst, dann wuschen sie sich den gröbsten Morast von den Händen und dem Gesicht und aus den Haaren. Das Wasser war kalt. Sie prusteten und fluchten. Bob hatte nicht daran gedacht, ein Handtuch mitzunehmen.
    Bob legte Elise in den Kofferraum, während Nathan seinen Anzug wieder anzog. Ihm war kalt, er war nass und dreckig, und der saubere Stoff rieb an seiner Haut. Seine Finger zitterten, als er sich die Schuhe band. Bob machte den Kofferraum zu. Er stütze sich mit einer Hand auf dem Dach ab, während er sich eine Breitcordhose und einen an den Ellbogen zerschlissenen Zopfpullover überstreifte. Er roch nach Motoröl.
    Sie setzten sich bibbernd in den Audi.
    »Okay«, sagte Bob.
    Er startete den Motor und wendete. Nathan drehte sich auf seinem Sitz nach hinten, um zu sehen, wie die roten Bremslichter den Halbmond der Reifenspuren beleuchteten, die sie auf dem Weg hinter sich zurückließen. Bob sagte, er müsse sich keine Sorgen machen. Die Reifenspuren und Fußabdrücke würden längst nicht mehr erkennbar sein, wenn die Bauarbeiter kamen, geschweige denn die Polizei: ausgelöscht von Wind und Regen und den Spuren anderer Autos mit matschigen Rädern, Autos, die junge Liebespaare auf diesen dunklen Waldweg brachten. Und wenn die Fußabdrücke und Reifenspuren einmal verschwunden waren, würden sie für immer verschwunden bleiben. Jegliche frische Spuren, die sie zurückgelassen hatten, würden unwiederbringlich verwischt werden.
    Der Audi hielt an, wo der Weg in die Straße mündete.
    Bob wartete, bis er sicher war, dass keine Autos kamen – kein Auto, dessen Fahrer oder Beifahrer den alten Audi bemerken könnte, der so spät in der Nacht aus einem so finsteren Pfad herausfuhr. Aber weil es spät war, gab es keinen Verkehr. Die Straße erstreckte sich leer in beide Richtungen.
    Sie sahen kaum ein anderes Fahrzeug, bis sie auf die Autobahn auffuhren, und selbst dann war das Verkehrsaufkommen spärlich. Bob fuhr in gemäßigtem Tempo auf der inneren Spur. Sie kamen an zwei Polizeiwagen mit Blaulicht vorbei, die jemanden am Straßenrand blasen ließen. Sie wurden

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