Vergraben
sich lachend von ihm los. »Hey, du bist doch nur eine Nacht weg!«
Sie strich ihm über das Revers – er hatte einen teuren Anzug an und trug eine Adidas-Sporttasche über der Schulter –, drehte ihn dann um, gab ihm einen Klaps auf den Hintern und schob ihn durch die Haustür. Ein Taxi wartete am Straßenrand.
Es brachte ihn in die Stadt, wo er sich mit Bob traf, der am Steuer eines alten Audi 100 auf ihn wartete. Die rückwärtige Stoßstange war mit Klebeband befestigt und die Steuerplakette abgelaufen.
Nathan stieg ein und zeigte auf die Plakette.
»Das ist eine super Idee. Hoffentlich werden wir angehalten.«
»Ist doch nur eine Kleinigkeit. Was hast du da in der Tasche?«
»Frische Unterwäsche. Nurofen Plus gegen den Kater. Lucozade . So was eben.«
»Das klingt ja, als würde sie dich zum Camping schicken.«
Während Nathan sich anschnallte, sagte er: »Das ist das letzte Mal, dass du sie heute Abend erwähnst.«
»Ist ja gut«, antwortete Bob und startete den Motor.
Sie fuhren.
»Hast du alles?«, fragte Nathan.
»Ich denke schon. Soll ich irgendwo anhalten, damit du dir ein paar billige Klamotten holen kannst?«
Bob wartete im Parkhaus eines Einkaufszentrums am Steuer, während Nathan zu Millets ging. Er kaufte einen dunkelgrünen Fleecepullover und eine schwarze Windjacke, Wanderschuhe, eine khakifarbene Hose. Und eine Sturmhaube.
Er bezahlte bar.
Wieder im Parkhaus angekommen, warf er die Einkaufstüten neben seine Reisetasche auf die Rückbank von Bobs Wagen.
Während der Fahrt fragte Bob: »Wie kommst du damit klar?«
»Ich fühle mich krank. Und du?«
»Ich fühl’ mich ganz gut. Ein bisschen aufgekratzt. Als hätte ich einen Kaffee zu viel getrunken.«
Um sich zu beruhigen und die Zeit totzuschlagen, bis es spät genug war, hielten sie bei einem Pub.
Bob saß gelangweilt über einem großen Glas Guinness. Nathan trank etliche lauwarme Gin Tonic. Sie saßen in einer Nische, konnten und wollten sich nicht unterhalten – die Jukebox war zu laut. Kurz bevor sie wieder aufbrachen, ging Nathan ausgiebig pinkeln.
Sie fuhren von der Autobahn ab, auf die Landstraße. Der Nachthimmel war von mehreren Schichten schnell dahinziehender Wolken bedeckt, die der Mond anleuchtete.
Sie ließen die gelben Lichter der Stadt hinter sich. Nathan drehte sich um und sah sie wie ein Ufo im Tal liegen. Bob nahm die übliche Straße zum Wald und fand den engen Weg fast mühelos wieder.
Er bremste ab und lenkte den Audi ruckartig auf die dunkle Öffnung zu. Sie folgten dem Licht seiner Scheinwerfer. Die Bäume bewegten sich am Rand ihres Gesichtsfelds.
Sie kamen am richtigen Ort an.
Sie wussten, dass es der richtige Ort war.
Bob stoppte den Wagen. Sie hörten den Motor knistern. Den Wind in den Bäumen. Nathan erinnerte sich an das letzte Mal, als er hier gesessen hatte. Er erinnerte sich an Elise. Lachend, nackt. Die Art, wie ihre Finger sich verkrampft und dann auf seinen Armen entspannt hatten, als er in sie eindrang. Er dachte an die Samen, die er in sie hineingespritzt hatte.
Das Geräusch ihres und seines Atems.
Bob sagte: »Ich bin hier manchmal hergekommen. Damals. Einfach vorbeigefahren. Nur so.«
Nathan wollte nichts hören. Er schnallte sich ab und kletterte auf den Rücksitz. Er nahm die neuen Kleider aus der Einkaufstasche und riss die Zettel ab. Dann begann er sich auszuziehen.
»Wie in alten Zeiten«, kommentierte Bob.
Nathan streifte seine feine Hose ab.
»Damals hast du dir auch auf meinem Rücksitz die Hose ausgezogen.«
Nathan hatte die saubere Hose gefaltet neben sich gelegt und knöpfte sein Hemd auf. Er zog ein Millets -T-Shirt an. Sein Haar stand ab.
»Pass auf, dass du alle Zettel von den Klamotten abmachst«, meinte Bob. »Du darfst sie nicht hier verlieren.«
Nathan strich sich das Haar glatt.
Bob lenkte ein: »Okay, tut mir leid. Ich fand es nur ganz schön unheimlich, das ist alles. Dass du dich auf meinem Rücksitz ausziehst. Ausgerechnet hier. Das musst du doch zugeben.«
»Wenn es noch unheimlicher wird, dreh’ ich komplett durch«, sagte Nathan. »Verstehst du, Bob? Dann kann man mich im Brunnen in der Stadt suchen, wo ich mir Ziegelsteine auf den Kopf haue und Hundescheiße fresse. Also schalt mal einen Gang runter, okay?«
Bob rauchte eine Zigarette, während Nathan sich fertig anzog. Die Kleider rochen neu; man konnte noch sehen, wie sie im Laden gefaltet gewesen waren. Die Schuhe waren teuer gewesen – er wollte nichts tragen, wovon er
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