Verhängnisvolle Sehnsucht (German Edition)
Keller zumindest weitgehend intakt gelassen zu haben. Vermutlich, weil die Decke aus Beton bestand, während der Rest des Gebäudes aus Holz gebaut war. Irgendetwas hatte dazu geführt, dass es ohne Vorwarnung in sich zusammengebrochen war. Aber darüber brauchte er jetzt nicht nachzudenken, wichtig war nur, Alyssa zu finden und sie sicher wieder hinauszubringen. Wenn sie noch lebte. Das Gehäuse seines Handys knackte Unheil verkündend, und er lockerte rasch seinen Griff. Er würde Alyssa retten, koste es, was es wolle.
Kyle atmete auf, als er im Lichtschein den Treppenaufgang sah, der zum Verkaufsraum führte. Mit wenigen Schritten erreichte er die ersten Stufen und begann hinaufzusteigen. Am Anfang kam er gut durch, aber als die Treppe eine Biegung machte, erkannte er, dass ein Teil der Decke darüber zusammengebrochen sein musste. Das erschwerte das Durchkommen beträchtlich, aber er biss nur die Zähne zusammen und begann damit, sich einen Weg durch den Schutt zu bahnen. Vorsichtig schob er einzelne Bretter beiseite und quetschte sich durch die frei gewordene Lücke. Jetzt wäre es von Vorteil gewesen, wenn er etwas kleiner und weniger breit gebaut wäre, andererseits brauchte er teilweise seine ganze Kraft, um sich den Weg zu bahnen.
Schweiß ließ das T-Shirt an seinem Körper kleben, doch er spürte es kaum. Es gab nur einen einzigen Gedanken in seinem Kopf: Alyssa. Endlich erreichte er die oberste Stufe und erkannte, dass auch der Rest des Weges so beschwerlich werden würde. Wenn nicht noch schwerer, denn soweit er das erkennen konnte, gab es nur einen Durchgang von höchstens einem Meter Höhe unter dem Schutt des oberen Stockwerks. Wie er im Schein der Lampe sehen konnte, war es an den meisten Stellen sogar ganz bis zum Boden durchgebrochen, nur dort, wo die Verkaufstische standen, war etwas mehr Raum. Hoffentlich hatten die Wände der Umkleidekabine dem Druck standgehalten und boten Alyssa einen sicheren Raum. Wenn sie von den Balken getroffen worden war … Nein, darüber durfte er jetzt nicht nachdenken.
Nach einem letzten tiefen Atemzug ging Kyle in die Hocke und quetschte sich durch eine schmale Öffnung. Die rauen Kanten des geborstenen Holzes kratzten über seine Narben, und er unterdrückte gerade noch einen Schmerzenslaut. Er konnte sich jetzt nicht damit befassen, was diese Tortur seinen alten Verletzungen und ihm antun würde, denn das hätte nur seine Konzentration gestört. Und die brauchte er, wenn er sich durch diesen Schuttberg bewegen wollte, ohne in Gedanken zurück in die furchtbaren Ereignisse geworfen zu werden, die ihn beinahe sein Leben gekostet hatten.
Flach sog er die stauberfüllte Luft ein. Zumindest roch es nicht nach Gas oder Rauch. Wenn er Glück hatte, würde die Ruine zumindest so lange stehen bleiben, bis er Alyssa herausgeholt hatte. Bei der Vorstellung, in den Trümmern verschüttet zu werden und bei lebendigem Leibe zu verbrennen, war er kurz davor, in Panik zu geraten. Der Drang, umzudrehen und sich in Sicherheit zu bringen, wurde immer stärker, aber Kyle biss die Zähne zusammen und schob sich weiter vorwärts. An einer besonders flachen Stelle musste er über den Boden robben und sich seitwärts drehen, damit seine breiten Schultern überhaupt hindurchpassten. Früher hatte ihm das nichts ausgemacht, doch seit seinem »Unfall« hasste er es, sich nicht frei bewegen zu können.
Kyle hörte einen Laut und hielt den Atem an. Es war schwer, etwas über dem wilden Hämmern seines Herzens und den knackenden Geräuschen des Holzes über ihm wahrzunehmen, aber er hätte schwören können, dass er eine schwache Frauenstimme rufen hörte. Alyssa! Mit neuer Energie arbeitete er sich weiter in die Richtung vor, in der er die Umkleidekabine vermutete. Der Boden war voller Glassplitter, aber Kyle ignorierte die Schmerzen der unzähligen Schnitte. Mühsam schob er eine Holzplatte beiseite, die ihm den Weg versperrte, bis er sich hindurchschlängeln konnte. Erneut hörte er einen Ruf, und diesmal war er sicher, dass es tatsächlich Alyssa war. Noch schneller arbeitete er sich vor, bis er ihre hektischen Atemzüge hören konnte.
»Es ist alles in Ordnung, ich hole Sie hier raus.« Seine Stimme klang durch die staubige Luft noch rauer als sonst, und er räusperte sich. »Sprechen Sie mit mir, damit ich Sie leichter finde.« Einen Moment lang herrschte Totenstille, dann ertönte ein furchtbarer Laut, der ihm einen kalten Schauer über den Rücken trieb.
»Oh Gott, bitte, machen
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