Verhängnisvolle Sehnsucht (German Edition)
gezwungen gewesen, etwas zu tun.
Ein lautes Knacken riss ihn aus seinen trüben Gedanken, als der Funk zum Leben erwachte. Unzählige Stimmen redeten wild durcheinander, und Kyle hatte Mühe, zu verstehen, worum es ging. »… Gebäude … Explosion … mehrere Verletzte … vermisst …«
Ruckartig setzte er sich auf und stellte sein Glas auf den Couchtisch. Das hörte sich nicht so an, als wäre es harmlos. Kyle stand auf und ging im Raum auf und ab, während er den Meldungen lauschte. Es war kein Feuer, immerhin, aber anscheinend war mitten auf der Hauptstraße ein Gebäude eingestürzt und hatte mehrere andere in Mitleidenschaft gezogen. Sein Magen zog sich zusammen, und er blickte sehnsüchtig auf den Drink. Abrupt wandte er sich ab und durchquerte das Zimmer. Ohne weiter darüber nachzudenken, steckte er Handy und Schlüsselbund in seine Hosentaschen und verließ das Haus. Vermutlich war es ein Fehler, in die Stadt zu fahren, aber der Feuerwehrmann in ihm konnte einfach nicht fernbleiben. Selbst wenn er wusste, dass er nicht helfen konnte.
Die Fahrt zur Stadt verging unendlich langsam, aber schließlich erreichte er die Hauptstraße. Die Unglückszone war weiträumig abgesperrt, sodass er seinen Wagen stehen ließ und zu Fuß weiterging. Unzählige Schaulustige hatten sich bereits versammelt, aber er beachtete sie nicht und drängte sich durch die Menge, bis er in der Nähe des eingestürzten zweigeschossigen Gebäudes ankam. Es sah aus, als hätte ein Tornado es auseinandergerissen und in seine Einzelteile zerlegt. Wenn sich jemand darin aufgehalten hatte, war er vermutlich tot oder schwer verletzt. Sein Magen zog sich zusammen, und er blickte rasch woandershin.
Kyle ballte die Fäuste, als er sah, dass die Polizisten und Feuerwehrmänner zu sehr unter Schock zu stehen schienen, um etwas zu unternehmen. Kein Wunder, da hier ja nie etwas Derartiges passierte, aber wenn jemand in dem Gebäude war, mussten sie sich mit der Rettung beeilen. Schließlich konnte es passieren, dass sich austretendes Gas entzündete. Er drängte sich näher heran und ignorierte die entsetzten, angewiderten und mitleidigen Mienen der Menschen um sich herum, die ihm rasch Platz machten. Normalerweise hielt er sich genau deswegen nicht mitten am Tag an einem öffentlichen Ort auf, aber im Moment gab es Wichtigeres, als auf die Gefühle seiner Mitmenschen Rücksicht zu nehmen.
Dicht hinter dem Chief der Feuerwehr blieb er stehen und lauschte dem Gespräch, das er mit Sheriff Sam Mayweather führte. Anscheinend sollte das Gebäude erst stabilisiert werden, bevor sie jemanden hineinschickten. Was vermutlich eine gute Idee war. Zumindest, wenn sich niemand mehr darin aufhielt.
»Es ist Carrie Bishops Dessous-Laden. Da sie selbst uns gerufen hat, ist sie wohl rausgekommen. In den Nachbargeschäften gab es mehrere Leichtverletzte, aber es sieht so aus, als hätten sie Glück gehabt. Anscheinend gab es zu der Zeit keine Kundschaft, sonst würde die Sache sicher anders aussehen.«
Erleichtert wollte Kyle sich abwenden, als er einen lauten Ruf hörte. Sein Blick glitt zu Carrie, die auf Sam zugerannt kam. Sie war kreidebleich, ihre Kleidung zerrissen, und ihre kurzen roten Haare standen zu allen Seiten ab. Ein langer Kratzer zog sich über ihre Wange. »Sheriff, Sie müssen etwas unternehmen! Meine Freundin Alyssa war im Laden, als er einstürzte!« Atemlos kam sie bei ihnen an und wirkte, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen. Ein Sanitäter legte ihr eine Decke um die Schultern, aber sie schien es gar nicht zu bemerken. »Ich war gerade draußen und habe einem Touristen den Weg erklärt, als das Gebäude hinter mir zusammenbrach. Sie ist noch da drin!« Tränen rannen über ihre Wangen.
Unwillkürlich trat Kyle einen Schritt vor, als er den Namen Alyssa hörte. Er kannte hier nur eine Alyssa …
Sam presste die Lippen zusammen. »Sind Sie sicher?« Stumm nickte sie. »Verdammt! Reden Sie von Alyssa Thomas?«
»Ja. Sie war gerade in der Umkleidekabine im Erdgeschoss, als ich nach draußen ging.« Carrie ergriff die Hand des Chiefs. »Bitte, Sie müssen irgendetwas tun.«
»Es tut mir leid, Ma’am, wir können momentan noch niemanden in das Gebäude schicken, es ist zu instabil …«
Kyle hörte nicht länger zu, sondern bahnte sich einen Weg zur Rückseite des Gebäudes. Auch hier war alles weiträumig abgesperrt, aber er ignorierte die Warnung und bückte sich unter dem Band hindurch. Er handelte wie auf Autopilot, seit er
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