Verhängnisvolle Wiedersehen (The Immaculate Breed) (German Edition)
jeder von ihnen als eigenständige Persönlichkeit hervorragend funktionierte, doch Rys war, trotz mancher Ausbrüche und natürlicher Skepsis, die ihn einfach dazu brachte, anders als Ron manch eine Entscheidung des Orakels oder einer Patrona nicht als gegeben hinzunehmen, der Aufgabe als Krieger genauso loyal und ergeben wie sein Bruder, dessen Anweisungen und Entscheidungen er niemals angezweifelt oder infrage gestellt hatte.
Bis zu dem Abend, als er ihnen eröffnete für den Tod ihres Onkels und Romys Vater verantwortlich zu sein.
Gemeinsam mit Ron sah er auf den Grabstein herunter. Sie hatten nie viel an Sentimentalitäten oder Vertrautheiten getauscht. Zuerst ja, als Rys noch die Kleider eines Knaben von Stand trug und den Schatten im Garten hinter herjagte, um den feindlichen Strolchen eins auf die Mütze zu geben. Da hatte Theron ihm schon noch den ein oder anderen Kniff gezeigt und mit ihm die Holunderbüsche im elterlichen Garten zerhackt, aber dann war auch Rys erwachsen geworden und aus den Schatten wurden Monster und aus dem Knaben mit Holzschwert ein Mann mit einer scharfen Waffe. Ron hatte ihm nie gesagt, was er empfunden hatte, als Rys dazu berufen worden war, an seiner Seite zu kämpfen. Es war nun mal vom Schicksal so bestimmt. Persönliche Wünsche traten bis zur Nichtigkeit in den Hintergrund zurück.
Bis heute...
Es war hier draußen angenehm kühl. Der Himmel genauso bewölkt wie Chryses Augen. Ron zuliebe starrte er auf die Inschrift des Grabes und mied Blickkontakt. Sein Bruder sollte nicht wieder das Gefühl haben, erneut wie im Wohnzimmer von Rys Apartment bedrängt zu werden. Er entschuldigte sich und Rys war ihm dankbar für seine Offenheit und dafür, dass er sich endlich traute, Gefühle zu zeigen, die rein gar nichts mit Schwäche zu tun hatten, sondern nur mit seinem unglaublichen Mut, seiner Ernsthaftigkeit und dieser Strebsamkeit danach unbedingt Gutes tun zu wollen und die Welt für sie alle schlichtweg ein bisschen besser zu machen.
Als Rys klein war, hatte er tatsächlich gedacht, sein Bruder könnte die Welt verändern und den Krieg zwischen den Immaculates und den Aryanern, der schon damals seit Jahrhunderten andauerte, beenden. Er war für ihn der perfekte Krieger. Und Ron war es noch, obwohl sein Charme merklich eingerostet war und er sich inzwischen natürlich verändert hatte.
„Ich verstehe dich.“, sagte Rys schlicht und legte seinem Bruder eine Hand auf die Schulter.
„Ich verzeihe dir, wenn du mir verzeihst. Mein Zorn auf dich war ungerecht und ich bin es, der sich entschuldigen muss. Du bist mein Bruder, Ron. Keiner der Krieger steht mir so nah wie du und für keinen der anderen empfand ich jemals so viel Respekt wie für dich. Das wird sich niemals ändern. Nicht nach der Sache mit Malakai und zu keinem sonstigen Zeitpunkt. Die Entscheidung, die du getroffen hast, war richtig. Ich hätte es nicht anders gemacht. Ich hätte genauso feststellen müssen, dass es für eine Person allein zu schwierig gewesen ist, unseren Onkel zu retten und es wäre ebenfalls zu spät gewesen. Wenn es diesen Kampf zwischen euch nicht gegeben hätte, Ron...“
Rys machte eine kleine Pause und wandte sich nun seinem Bruder direkt zu, ohne die Hand fortzunehmen. Es erleichterte ihn, dass Ron seinen Blick fast sofort erwiderte. Ob nun aus selbiger Erleichterung oder Überraschung wusste er nicht zu sagen, da er in seinem Bruder noch nie hatte lesen können, was ihn wahrscheinlich am meisten störte, denn so war es für den Älteren immerhin ein Leichtes, seine Empfindungen im Verborgenen zu halten.
„Er hätte sich garantiert selbst gerichtet, Ducis* . Er war zu verletzt, um gesund am Leben zu bleiben und daran glauben zu können, es könnte sich doch noch alles zum Guten wenden. Mit dem Feuer in jener Nacht wurde sein Glauben daran endgültig ausgelöscht. Margas Ende war sein Ende. Der Tod seiner Soulmate und der berechtigte Verdacht, dass die Mädchen ebenfalls... er war schon davor nicht mehr ganz bei sich, Theron. Die ständigen Zurückweisungen, dann wieder das Nachgeben und der Wunsch nach Zweisamkeit und Familienleben...Das ständige Hin und Her ist für niemanden gut. Nicht einmal für einen starken Krieger. Du hast dir nichts vorzuwerfen. Du hast in unserem Ermessen alles richtig gemacht. Niemand hat wissen können, was in der Nacht wirklich mit Rebeka und Romana geschah. – Nicht einmal du mit deinem Supergehirn.“
(*lat. Anführer)
Rys zögerte nicht lange, machte einen
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