Verhängnisvolle Wiedersehen (The Immaculate Breed) (German Edition)
nicht mehr empfunden. Das hatte er allein der Tatsache zu verdanken, dass Tiponi sich nicht von ihm abgewendet hatte, obwohl er ihr mehr als einen guten Grund dazu gegeben hatte.
Therons Sinne spürten Rys’ Anwesenheit, noch bevor er sich neben ihm materialisiert hatte. Bis eben war er sich nicht sicher gewesen, ob sein Bruder seinem Ruf folgen würde. Für ihn mochte es ausreichen, Romys Wunsch so weit zu erfüllen, dass sein großer Bruder die Festlichkeit mit seiner Anwesenheit beehrte. Rys hatte das Recht, wütend und enttäuscht zu sein. Es war niemals ein gutes Gefühl, sich von etwas ausgeschlossen zu fühlen, auch wenn es ein Befehl von ganz oben gewesen war.
„Rys… Danke, dass du so kurz vor der Zeremonie einem Gespräch zugestimmt hast.“, begann Ron etwas unbeholfen, obwohl ihm sonst niemals die Worte fehlten. Er nahm die Augen nicht von dem Grabstein, vor dem er jedes Jahr zu seinem Todestag stand, um Buße zu tun. Es war nie genug gewesen. Verluste waren viel unerträglicher, wenn man beinahe unsterblich war.
„Du weißt nun alles… Die Tatsachen jedenfalls. Ich wollte niemals, dass es so weit kommt und würde alles tun, um es ungeschehen zu machen. Ich habe mich selbst überschätzt. Ich, der mächtige Anführer der Warrior. Mir würde das gelingen, was keinem Familienmitglied zuvor geglückt war… Ich würde Malakai zur Vernunft bringen. Ich allein. Er war immer für mich da. Ich wollte ihm das schenken, was er sich mehr als alles andere gewünscht hat: Familie und Kinder. Das Versagen hat mich fast alles gekostet, was ich mir bis zu diesem Zeitpunkt aufgebaut hatte. Du weißt gar nicht, wie oft ich kurz davor stand, dich einzuweihen… Aber die Furcht, dich auch noch zu verlieren, hielt mich davon ab. Von dem Dekret des Orakels ganz zu schweigen. Ich möchte mich nicht herausreden, ich hätte es dir dennoch sagen sollen. Er war auch dein Onkel, dein Vertrauter und dein Freund.“
Und nun auch sehr bald schon dein Schwiegervater.
Theron wandte sich um und sah seinem Bruder in die Augen, seine Hand zuckte, doch er legte sie nicht wie beabsichtigt auf dessen Schulter. Er war hier der Bittsteller und musste das Urteil von Chryses hinnehmen.
„Ich weiß, es ist viel verlangt, angesichts dessen dass du gleich den wichtigsten Schritt in deinem Leben tun wirst. Ich bitte dich um Verzeihung. Du musst nicht antworten, ich kann verstehen, wenn du und auch Romana Zeit braucht, um euch damit auseinander zu setzen. Ich werde die Entschuldigung jederzeit wiederholen. Ich wollte nur, dass ihr euren Weg so frei wie möglich gehen könnt. Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich für dich und Romy bin, nachdem ich endlich selbst meine Irrtümer eingesehen habe.“
Es hatte für Chryses kein Grund bestanden, dem Ruf seines Bruders nicht nachzukommen. Im Gegenteil, er hätte selbst so schnell wie möglich auf eine Aussprache gedrängt. Sie waren schließlich Brüder. Und das nicht nur aufgrund eines Blutschwurs, mit dem sie sich dazu verpflichtet hatten, ihrer Rasse zu dienen.
Er war allein seinetwegen gekommen. Romy hatte ihn zu nichts gezwungen oder verpflichtet. Rys zürnte Ron nicht mehr. Warum auch? Die eigentliche Wut war nicht daraus resultiert, dass er seinem Bruder Versagen vorwarf, sondern dass sich Ron ihm nicht anvertraut hatte, als er es am allermeisten nötig gehabt hatte. Natürlich hatte das Orakel seine Hand gebietend über diese Angelegenheit gehalten, doch auch sie hätte ihrem Anführer mehr Freiraum für seine Gefühle lassen sollen, statt ihn dazu zu bringen, sich diesen lieber zu entsagen und für sich selbst, bis auf wenige zu verbieten. Das hatte Theron eingefroren. Nun konnte man Tränen in seinen Augen ausmachen und Rys war froh, dass das Eis im Herzen seines Bruders zu schmelzen begann.
Anders als Bekky und Romy waren sie nie groß getrennt gewesen. Theron war sein großes Vorbild. Es gab Dutzende von Tugenden, die Rys von jüngster Kindheit an in seinem älteren Bruder gefunden und in seiner Erinnerung bis heute bewahrt hatte. Auch heute noch gab es für ihn niemanden, der seiner Aufgabe loyaler, respektvoller, ehrgeiziger und vor allem pflichtbewusster nachgekommen wäre. Er war von jeher der Stolz ihrer Mutter gewesen und es hatte Rys ebenfalls stolz gemacht, nach langer Zeit des Hoffens an die Seite seines Bruders berufen und zum Krieger auserwählt worden zu sein. Rys hatte immer so werden wollen wie Ron. Zwar war das zu ihrer beider Glück niemals eingetroffen, da
Weitere Kostenlose Bücher