Verheißene Erde
gleichen Nachmittag gingen sie und Pik die zehn Kilometer zur nächsten Polizeistation, um ihren Fund registrieren zu lassen.
Sobald der Diamant rechtsgültig eingetragen war, wurde er Pik Prinsloos Eigentum, über das er frei verfügen konnte, aber nur auf offiziellem Weg. Wenn er diesen Stein in die Hände eines illegalen Diamantenkäufers gelangen ließ, landete er zusammen mit dem Käufer im Gefängnis; er mußte den Stein persönlich auf den Diamantenmarkt in dem über vierhundert Kilometer westlich liegenden Boskuil bringen. Man konnte die Reise mit der Bahn machen - erst vier Stunden nach Johannesburg, dann noch fünf nach Boskuil -, aber der alte Pik war der Ansicht, er müsse mit einem so imposanten Stein in einem Privatauto fahren, und so rief er seinen Geldgeber in Johannesburg an: »Wir haben den größten Diamanten meines Lebens. Fahren wir nach Boskuil und verkaufen wir ihn um zweitausend Rand.« Der Mann sagte, er könne sich Freitag am späten Nachmittag freimachen. »Halt, halt!« rief Pik. »Wir müssen Freitag vormittag in Boskuil sein. Der einzige Tag, an dem die Käufer kommen.«
Also holte ihn sein Geldgeber Donnerstag früh mit dem Auto ab, und sie fuhren zu einem Ort, der in der Welt nicht seinesgleichen hat: eine abgelegene Farm in der öden Gegend südlich von Johannesburg, wo nach altem Brauch Diamantenkäufer aus dem ganzen Land in einer Ansammlung von Wellblechhütten zusammenkamen, um zu sehen, was die Abenteurer gefunden hatten. Es war keine einfache Fahrt, denn jedesmal, wenn Pik und sein Diamant aus der Zuständigkeit einer Behörde in die einer anderen überwechselten, mußte er seine Registrierungspapiere vorweisen, damit die Behörden diesen Diamanten quer durch das Land verfolgen und sich vergewissern konnten, daß er in die Hände eines amtlich konzessionierten Käufers gelangte. Und sobald Pik in den Amtsbereich gelangte, in dem er verkauft werden sollte, mußte er ihn von neuem registrieren lassen. Die Aufenthalte waren umständlich genug, aber dieser Oktobertag war auch noch einer der heißesten des beginnenden Frühjahrs, so daß es im Inneren des Wagens dampfte, und Piks Gewohnheit, nicht zu baden, wurde nun zu einem akuten Problem.
Der Johannesburger öffnete zuerst sein Fenster, dann das Piks, und schließlich alle. Aber sogar dieser Zustrom frischer Luft konnte den schrecklichen Geruch nicht abschwächen, und der Mann fragte sich allmählich, ob sogar ein fünfkarätiger Diamant diese Qualen wert war. Aber sie erreichten schließlich die Boskuil-Farm, etwa zur gleichen Zeit wie der Abendzug, der die Käufer für den Freitagmarkt brachte. Büro Nummer eins war seit einigen Jahren von H. Steyn besetzt, einem konzessionierten Diamantenhändler von ausgezeichnetem Ruf. Am Freitagmorgen hängte Mr. Steyn, ein kleiner, durchtriebener Mann in einem dunklen Anzug, seine Urkunde an die Außentür, zog Ärmelschoner über und legte die Lupe mit sechsfacher Vergrößerungskraft vor sich auf den Tisch.
Der erste Mann in der Reihe war Pik Prinsloo, schmutziges Khakihemd, ausgebeulte Hosen, Hut mit zerrissener Krempe. Seit zweiundfünfzig Jahren kannten die Diamantenhändler diesen Kerl, ein Splitter hier, ein Fragment dort, und immer das Versprechen, daß eines Tages. Kein Käufer hatte dem alten Pik jemals mehr als dreihundert Rand auf einmal bezahlt, und mit diesem mageren Kapitalzufluß hatte er überlebt. Als Steyn den alten Kerl herankommen sah, nahm er an, er habe wieder einen Stein gefunden, der ein paar Pfund wert war. Als er aber bemerkte, daß der übelriechende Alte zitterte und in seinen Augen ein wildes Leuchten lag, wurde ihm klar, daß dies ein besonderer Tag war. Steyn sah, daß Piks Partner auch hereinkommen wollte, aber der Alte winkte ab und sagte: »Bleiben Sie draußen. Das ist mein Job.« Es folgte ein leises Gespräch, doch am Ende rief der alte Mann: »Natürlich werde ich Ihnen sagen, wieviel, und wenn ich es nicht sage, wird es Mr. Steyn tun. Aber jetzt gehen Sie!«
»Sie haben einen Stein?« fragte Mr. Steyn.
Piks Hände zitterten, als er langsam eine Streichholzschachtel herauszog, die er mühsam öffnete. Er legte einen Diamanten auf den Tisch, der so groß war, daß H. Steyn hüstelte. »Sie haben dafür Papiere?« fragte er.
»Papiere?« schrie der alte Pik. »Sie haben verdammt recht, ich habe Papiere.« Er fummelte wieder herum, und als die vertrauten Dokumente vor Mr. Steyn ausgebreitet wurden, gab er vor, sie zu lesen. In Wirklichkeit stellte
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