Verheißung Der Nacht
und des Verlangens, die sie von sich gegeben hatte, all diese Dinge waren wie ein herrlicher Traum. Diese Frau, die er in seinen Armen hielt, hatte nichts Schüchternes an sich und nichts Vulgäres, sie bestand ganz aus Zärtlichkeit und Fürsorge und offener Sinnlichkeit. Dass sie zu ihm gekommen war, war eine Ehre für ihn, und das wusste er auch. Er hatte nicht anders gekonnt, als in der kurzen Zeit so viel Vorteil aus dieser Tatsache zu ziehen, wie es nur möglich war.
Er war ganz sicher, dass er niemals in seinem Leben vergessen würde, was er gefühlt hatte, als ihm bewusst wurde, dass er der erste Mann war, der ihr zu einem Orgasmus verholfen hatte. Dieses Wissen hatte ihn so tief berührt, dass er versucht hatte, ihr doppelt soviel Lust zu schenken für jedes Mal, wenn sie ihm Lust bereitete. Was seine eigene Verzückung noch um ein Vielfaches verstärkt hatte.
Die Erinnerung daran würde ihn wärmen in den kalten Nächten, die noch vor ihm lagen. So wie sie ihn jetzt bereits wärmte. Unglaublich.
Selbstbeherrschung war absolut notwendig, selbst wenn es dafür schon ein wenig spät war. Er schloss die Augen und kämpfte gegen die Reaktion seines Körpers an. Es dauerte länger als nötig, sie zu unterdrücken.
Er schob sich von Cammie fort und legte das Laken und die Decke über sie, dann stand er auf. Er hatte seine Kleidung auf einen Stuhl neben der Tür gelegt, auf seinem Weg aus dem Zimmer nahm er sie mit.
Augenblicke später ging er vollständig angekleidet, mit den Stiefeln in der Hand, die dunkle Treppe hinunter und durch den langen Flur. Als er an dem Sonnenzimmer vorbeikam, hielt er inne, dann betrat er den Raum.
Das Porträt über dem Kamin wurde schwach erleuchtet von dem Licht draußen neben der Einfahrt. Reid trat näher heran und legte dann den Kopf in den Nacken, um zu dem Bild aufzusehen.
Es war ein lebensgroßes Bild von Cammie, in einem mit dunkelgrünen Brokat bezogenem Sessel. Sie trug ein Kleid aus weichem grauen Samt mit einem breiten Spitzenkragen, der mit silbrigen, spinnwebartigen Strichen wiedergegeben war. Das gemalte Haar war füllig, mit geschickt gesetzten Lichtreflexen, die ihm beinahe eine Art Heiligenschein verliehen. Das Gesicht war wunderschön getroffen, die ovale Form, das energische Kinn und die gerade, aristokratische Nase, der sanft geschwungene Mund mit dem selbstsicheren Lächeln. Doch es waren ihre Augen, die die Aufmerksamkeit des Betrachters anzogen. Sie waren groß, eine sanfte Mischung aus Grün,
Blau und Braun mit einem grauen äußeren Ring; und sie waren geheimnisvoll, rätselhaft.
Reid begriff, als er zu ihnen aufblickte, dass in ihnen die empfindsame Traurigkeit des Träumers lag. Es waren die Augen eines Menschen, der die imaginäre Welt, die er sich selbst aufgebaut hat, der häßlichen Wirklichkeit vorzog, auch wenn er wusste , dass seine Traumwelt falsch war.
Das war ein Teil von Cammie, den sie geschickt zu verbergen wusste . Er hätte es vielleicht nie herausgefunden, hätte er es nicht selbst bemerkt, als sie über ihre Ehe sprach und seine Hilfe auszuschlagen versuchte. Ihre schärfsten, gefährlichsten verbalen Angriffe dienten dem Schutz ihres Innersten. Diese Grenze zu überschreiten erlaubte sie niemandem.
Dabei wünschte er sich diesen Zugang zu ihr mehr als alles andere. Doch sie würde ihm diese Nähe nicht gestatten, dessen war er sich so sicher wie der Tatsache, dass er irgendwann einmal sterben musste .
Er fragte sich, ob Keith Hutton je die Mauer der Abwehr durchbrochen hatte, die seine Frau um sich herum errichtet hatte. Oder hatte sie diese Mauer nur deshalb errichtet, um ihn von sich fernzuhalten?
Wenn er jetzt zurückblickte, schien es ihm allerdings, als ob es diese Mauer schon immer gegeben hätte. Teenager hatten normalerweise immer ein weiches Herz, doch Cammie war empfindsamer gewesen als die meisten Mädchen in ihrem Alter. Sie war ein Mädchen, das auf Befehl in Tränen ausbrechen konnte, nicht etwa aus einem einfachen Trick heraus, sondern aus dem Schmerz, in einer Welt leben zu müssen, wo andere absichtlich grausam waren. Sie war ein Mädchen, das immer sofort den poetischen Sinn einer Sache erfaßte, ein Mädchen, das um die Blumen im Gras herumging, anstatt auf sie zu treten, das immer kranke Tiere herbeischleppte und sich für die Unterdrückten einsetzte.
Sie hatte sich seit den Tagen ihrer Jugend nicht verändert. Er, Reid, hatte sich verändert.
Ihm gefiel der Gedanke nicht, dass er in ihren Augen
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