Verhext: Roman (German Edition)
aber schrullige Freundschaft.
Sie seufzte wieder. Aber so einfach abtun konnte sie es auch nicht. Der Mann ließ Teller fliegen. Vielleicht konnten Hexenkräfte andere Hexenkräfte spüren. Nells Hol-Zauber schien geglaubt zu haben, dass er eine Hexe eingefangen hatte. Und fast jeder, der sie kannte, würde bestätigen, dass es unheimlich war, wie oft sie mit ihrem Bauchgefühl richtiglag.
Meine Güte, jetzt saß sie tatsächlich hier und dachte ernsthaft darüber nach, ob sie irgendwelche geheimnisvollen Kräfte in ihrer Niere hatte oder so was. Lauren löste sich aus dem Schneidersitz und stemmte sich aus der Couch hoch. Jetzt musste unbedingt ein zweiter Becher her.
5
Jamie öffnete das Haustürschloss mit einem Zauber. Besser, Lauren war nicht vorgewarnt, dass er auf dem Weg nach oben war. Er hoffte, dass Kaffee und Bagel sie erweichen würden, und sie ihn hineinließ. Bei diesem Wetter sollte ein Kaffee eigentlich überall willkommen sein.
Den gestrigen Abend hatte er mit Nash auf Männerart verbracht: Pizza, Bier und beim Zappen durch die Sportsender über belangloses Zeug quatschen. Wenn er sehr viel Glück hatte, hatte Lauren das getan, was auch immer argwöhnische Frauen nachts taten, und war heute Morgen etwas freundlicher gestimmt.
Eigentlich sollte ein Mann mit drei älteren Schwestern wissen, wie man mit weiblichen Launen fertigwurde. Doch was ein Mann mit drei älteren Schwestern vor allem wusste, war, wann man besser in Deckung ging.
Nell stand knietief in seiner Schuld. Wochenlang das Zeug, das Aervyn teleportiert hatte, zurückzubugsieren war anstrengend genug gewesen, aber wenigstens hatte sie ihn kulinarisch gut versorgt, und es war warm in Kalifornien. Er fragte sich, ob magische Kräfte auch einfrieren konnten.
Musste diese Frau ausgerechnet in einem vierstöckigen
Gebäude ohne Fahrstuhl leben? Wer entwarf denn solche Häuser überhaupt? Vor sich hin grummelnd stieg er die letzten Stufen zu Laurens Wohnung hoch und klopfte an die Tür.
Sein Timing war perfekt. Sie sah immer noch verschlafen aus. Bei einer hellwachen Lauren würde er wohl nicht sehr weit kommen.
Offensichtlich überlegte sie ernsthaft, ob sie ihm die Tür vor der Nase zuschlagen sollte. Er versuchte, so harmlos und unhexerhaft wie möglich auszusehen und verkniff es sich, selbst ganz schwache beruhigende Wellen auszusenden. Die Entscheidung lag ganz bei ihr.
»Zuerst Kaffee. Dann reden.« Sie schnappte sich einen der Becher und ging zurück in die Wohnung. Jamie holte tief Luft und folgte ihr. Immerhin hatte sie ihm den Kaffee nicht ins Gesicht geschüttet. Noch nicht.
Lauren war anscheinend genauso kaffeesüchtig wie er. Daher sagte er nichts, sondern wickelte nur den Bagel mit Ei aus und reichte ihr eine Hälfte. Ein paar Minuten lang aßen und tranken sie am Küchentresen in wohltuender Stille.
»Vielen Dank für das Frühstück und den Kaffee. Will ich wissen, warum du an einem Samstagmorgen um neun Uhr vor meiner Tür stehst? Woher du weißt, wo ich wohne, frage ich erst gar nicht.« Lauren nahm eine grüne Kanne und begann die Pflanzen zu gießen.
»Das Übliche. Google.« Jamie machte eine Pause, bis Lauren sich zu ihm umdrehte. »Es tut mir leid, wenn ich dich gestern beunruhigt habe.«
»Du beunruhigst mich jetzt.«
Jamie versuchte es mit Humor. Das hatte ihm schon gestern im Restaurant aus der Klemme geholfen. »Normalerweise höre ich das gern von einer Frau, aber ich vermute, es sind nicht mein Charme und mein gutes Aussehen, die dich nervös machen.«
Lauren kicherte. »Ich weiß nicht, ob ich deshalb dankbar sein soll oder frustriert, aber zwischen uns hat es nicht gefunkt, glaube ich.«
»Dankbar, würde ich sagen. In diesem Fall ist das wahrscheinlich ganz gut. Körperliche Anziehung kann einen Test erschweren. Wir müssen wissen, ob du irgendeine Art von Macht hast, Lauren. Denn wenn das der Fall ist, musst du lernen, damit umzugehen.«
Lauren sah ihn unbeeindruckt an. Das musste er ihr lassen, sie war nicht so leicht zu verunsichern. »Überspann den Bogen nicht. Ich überlege noch, ob es eine gute Idee war, dich reinzulassen. Kaffee mag ja ein gutes Bestechungsmittel sein, aber ich bin mir nicht sicher, ob das reicht, damit du bleiben darfst.«
Sie wendete sich wieder ihren Pflanzen zu. Jamie war sich ziemlich sicher, dass sie sie inzwischen alle ertränkt hatte. »Gestern«, sagte Lauren, »warst du noch sehr davon überzeugt, dass ich magische Kräfte habe. Warum sieht deine Geschichte
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