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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Wort. Unter dem knalligen
Bühnen-Make-up – oder unter dem, was nach den vielen
Tränen davon übriggeblieben war – sah sie wirklich
müde aus. Sie sah müde aus, niedergeschmettert und
hundeelend – was man eigentlich von jemandem erwarten konnte,
der gerade zugesehen hatte, wie seine beste Freundin bei einem, wie
die Polizei von Las Vegas meinte, Unfall mit Fahrerflucht ums Leben
gekommen war. Jeanne Cassidys niedergeschmetterte, hundeelende
Müdigkeit interessierte Cavanaugh nicht, denn sie sah auch
verängstigt aus. Und das interessierte ihn.
    »Also: Sie und Miss Jefferson treten bei der Mitternachtsshow
auf. Miss Jefferson fällt die halbe Bühnentreppe hinab,
weil sie den ganzen Tag keinen Bissen gegessen hat.«
    »Das hat sie mir jedenfalls gesagt«, sagte Jeanne
Cassidy und nickte, und das war die Lüge Nummer eins. Cavanaugh
hatte eine Nase für Lügengeschichten. Und dieses
erschöpfte kleine Mädchen hatte nicht mal Talent dazu.
Dennoch hatte sie etwas Merkwürdiges an sich, etwas, das sie
grundlegend von den üblichen blendend aussehenden, aber nicht
allzu hellen Gänschen unterschied, die eine Weile über die
Bühnen von Vegas stolzierten, um sich dann nach einem oder zwei
Jahren den Drogen, der Prostitution oder einem zweifelhaften
Liebhaber zuzuwenden. Manchmal allen dreien. Dieses Mädchen hier
war irgendwie anders, aber Cavanaugh konnte noch nicht den Finger
drauflegen, inwiefern.
    »Also, Miss Jefferson bricht zusammen…«
    »Misses«, warf die Uniform hinter ihm ein, diesmal noch
nachdrücklicher.
    »…und Sie bringen irgendwie die Nummer zu Ende. Der
Regisseur stellt Ihnen gegenüber fest, daß er über
Miss Jefferson wütend ist und daß der Star der Show noch
viel wütender sein wird. Sie gehen und finden Ihre Freundin in
der Damentoilette…«
    »Frauen-WC…«
    »… und sie sagt, sie müßte auf der Stelle zu
ihrer Cousine nach Austin fliegen. Was war doch gleich der Grund
hierfür?«
    »Das sagte sie nicht«, antwortete Jeanne Cassidy, und
das war Lüge Nummer zwei.
    »So verlassen Sie beide also in aller Eile das Caesars und
fahren zum Flughafen, ohne daß Miss Jefferson auch nur eine
Tasche packt. Hat Sie das nicht stutzig gemacht?«
    »Doch.«
    »Haben Sie Miss Jefferson nicht gefragt, weshalb sie so
dringend abreisen mußte?«
    »Natürlich!« fuhr ihn das Mädchen an.
    Cavanaugh goß wiederum Kaffee ein, um ihr Zeit zu geben. Er
wollte sie nicht hysterisch haben. Er hielt ihr den Papierbecher hin,
aber sie schüttelte den Kopf. »Als Sie Miss Jefferson
fragen, weshalb sie so dringend zu ihrer Cousine reisen muß,
gibt sie Ihnen also keine klare Antwort. Sie sagt nur immer wieder:
›Ich muß heim.‹ Sonst nichts.«
    »Ja«, sagte Jeanne Cassidy und nickte, und das war
Lüge Nummer drei – die ganz große. Aber seit einer
Stunde hielt sie daran fest, und das fand Cavanaugh auch von
Interesse, denn diese Zähigkeit hätte man ihr auf den
ersten Blick nicht zugetraut. Außer man hatte sie ihr
eingebrannt, und die Voraussetzung dafür war wohl etwas extrem
Heißes…
    »Also rennt ihr beide auf das Flughafengebäude zu, und
plötzlich rast dieses große schwarze Fahrzeug heran und
stößt Miss Jefferson nieder, während Sie selbst eines
unvermutet erforderlich gewordenen Hygieneartikels wegen kurz zu
Ihrem Wagen zurückkehren. Unmittelbar darauf verschwindet der
Wagen wieder. Sie können weder auf den Fahrer noch auf die
Nummerntafel auch nur einen einzigen Blick werfen und sind auch nicht
in der Lage festzustellen, um welchen Wagentyp es sich handelt. Auch
sonst können Sie nichts Wesentliches erkennen.«
    »Ganz recht.«
    Cavanaugh trank den Kaffee selbst. Vermutlich schmeckte er
gräßlich, aber das konnte er nicht beurteilen. Würde
er auch nie können: Kaffee war Kaffee, und er trank ihn des
Koffeins wegen und um eine gewichtige Pause einzulegen, ehe er zum
nächsten Punkt kam.
    »Miss Cassidy, hatte Miss Jefferson eine dauernde Beziehung
zu einem Mann?«
    »Ja.« Jeanne Cassidy bemühte sich nicht einmal,
überrascht dreinzusehen.
    »Und wer war das?«
    »Carlo Gigliotti.«
    »Hat Miss Jefferson Ihnen gegenüber je erwähnt,
daß Carlo Gigliotti eine Verbindung zum organisierten
Verbrechen haben könnte?«
    »Nein«, sagte Jeanne. Lüge Nummer vier.
    »Nie? Nicht mal als Verdacht geäußert?«
    »Niemals.«
    Man konnte sie nicht kühl nennen, dazu war sie zu
erschöpft und zermürbt und verängstigt. Also nannte er
sie störrisch. Aber da war noch etwas, eine

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