Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
versprochen, aber ich muß es mitnehmen…
Sue Ann, verdammt, laß doch los…!«
    Sue Ann begann zu weinen. Jeanne riß sich los und rannte
zwischen zwei geparkten Wagen hindurch zu ihrem Escort. Sue Ann
schlang sich die Arme um den Körper und zitterte in der
nachtkalten Wüstenluft. Es war 1 Uhr 12.
    Der schwarze Wagen kam hinter dem Ende der Reihe hervor und raste
auf Sue Ann zu. Auf das Geräusch hin drehte Jeanne sich langsam
um die eigene Achse, so langsam wie in einem Traum; sie sah, wie Sue
Ann das Gesicht dem näherkommenden Wagen entgegenhob –
genauso, wie sie es vom Sitz der Toilette aus Jeanne entgegengehoben
hatte. Cadoc. Verico. Cadaverico. Gelbliches Scheinwerferlicht
brach sich auf Sue Anns weißen Lippen. Am Himmel kündigte
ein Düsenflugzeug kreischend seine Landung an.
    Ohne die Geschwindigkeit zu verringern, traf der Wagen auf Sue
Ann. Ihr Körper wurde vom Kühlergrill über die
Motorhaube geschleudert und flog über den Rest des Wagens
hinweg, ehe er auf einem grünen, rostfleckigen Toyota landete
und zu Boden glitt. Der schwarze Wagen, ein Buick LeSabre mit
kalifornischem Kennzeichen, bog um das Ende der geparkten
Fahrzeugreihe und verschwand.
    Jeanne stand da, ohne sich zu rühren, stand reglos da in
diesem haarsträubenden Zeitlupenfilm, und als sich ihre Beine
schließlich in Bewegung setzten, trugen sie sie mit steifen
Schritten vorwärts wie in einem Hochzeitszug. Plötzlich sah
alles rundum zu grell aus, so als hätte es ein Kind mit frisch
gespitzten Buntstiften angemalt. So scharf umrissen, daß es den
Augen wehtat, sah sie den Rostfleck vom Toyota auf Sue Anns gelbem
Pullover – an einer präzisen Stelle direkt über der
linken Brust. Unter dem Rostfleck drückte sich ein
Straßklunker wie ein Höcker durch das dünne
Baumwollmaterial. Sue Ann hatte den Zipp der Jeans nicht ordentlich
hochgezogen. Ihre Augen waren immer noch offen.
    Jeanne kniete sich neben den reglosen Körper und tastete nach
Sue Anns Puls am Handgelenk, aber sie wußte ohnedies nicht, wo
sie ihn suchen sollte. Sie legte das Ohr auf Sue Anns stille Brust
und zuckte einen Augenblick später so heftig zurück, als
hätte sie glühende Kohlen berührt. Danach fiel ihr
nichts ein, was sie hätte tun können, also tat sie gar
nichts.
    Von irgendwo weit weg schrie jemand etwas herüber. Hinterher
hörte sie das Klappern eiliger Schritte, das Heulen von Sirenen
und jemanden, der sagte: »Miss? Miss?« Später dann
helle Lichter, Kaffee, den sie nicht trank, und blaue Uniformen mit
Revolvergürteln und Fragen. Mit vielen Fragen. Doch das geschah
viel später in diesem kurios gebremsten Lauf der Zeit, und da
hatte Jeanne bereits entschieden, was sie nie, nie, nie irgend
jemandem sagen durfte – nicht hier, nicht daheim in East
Lansing, wohin sie zurückgehen würde, sobald man ihr
erlaubte, Las Vegas zu verlassen, nirgendwo. Niemandem.
    Niemals.

Robert
Cavanaugh von der Ermittlungsabteilung des FBI, Bereich Organisiertes
Verbrechen und Bandenbildung, sah das Mädchen an, das vor ihm
saß, und kämpfte seine Gereiztheit nieder. Es war nicht
ihre Schuld, daß er es haßte, kleine Mädchen zu
vernehmen. Und das war sie, egal was in ihrem Führerschein
stand. Wenn die Kleine einundzwanzig war, dann war er ein arabischer
Terrorist. Aber die Casinos kratzte das nicht – solange sie
beweisen konnten, daß es das Mädchen war, das bei der
Altersangabe gelogen hatte, und daß es damit nicht ihnen zum
Vorwurf gemacht werden konnte, wenn sie Kinder einstellten und um
zwei Uhr früh halbnackt vor stadtfremden Urlaubern posieren
ließen, die dachten, sie hätten endlich das tolle
Luxusleben entdeckt.
    »Also, gehen wir das Ganze noch mal durch, Miss
Cassidy.«
    »Misses!« murmelte das weibliche Wesen in der
Uniform der Stadtpolizei von Las Vegas hinter ihm. Ihre Anwesenheit
war vorgeschrieben; ihre politische Korrektheit nicht. Und was
Cavanaugh betraf, blieb diese Zeugin ein kleines Mädchen.
    Du bist doch selbst erst neunundzwanzig, hörte er
Marcy, seine baldige Ex-Frau in sein Ohr flüstern. Aber
Cavanaugh ignorierte Marcy, die fünfunddreißig war.
Logisches Denken war eine ihrer Stärken – ebenso wie
äußere Erscheinungsbilder: sie war ein As auf den Gebieten
Marketing und Unternehmensberatung.
    »Ich habe alles gesagt, was ich sagen kann«,
erklärte Jeanne Cassidy.
    »Ich weiß. Ich möchte mich nur vergewissern,
daß mir nichts entgangen ist.«
    »Ich bin so müde«, sagte das Mädchen.
    Das glaubte ihr Cavanaugh aufs

Weitere Kostenlose Bücher