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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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glaubt,
ihr könnt euch reinziehen, was…«
    »Taffy nimmt nichts«, sagte Jeanne kalt. »Wo ist sie?«
    »Aufm Klo. Sieh bloß zu, daß sie verschwindet von
hier, Amber, ich sag’s dir, bring sie raus, bevor Bobby
zurückkommt, der schneidet ihr glatt die Titten ab und stopft
sie ins Gurkenglas…!«
    Bobby war der berühmte Sänger. Jeanne drängelte
sich zur Damentoilette hinter der Bühne.
    Angezogen saß Sue Ann in einer der Kabinen; die Tür
stand offen. Zwei Mädchen, kostümiert als –
größtenteils haarlose – Tiger, standen vor den
Waschmuscheln. Ohne einen einzigen Blick zu den Kabinen zu werfen,
trollten sie sich nach draußen; die gestreiften
Tigerschwänze wischten hinter ihnen her.
    In dem engen kleinen Raum ging Jeanne vor Sue Ann in die Hocke.
»Was ist denn los, Sue Ann? Was ist passiert,
Schätzchen?«
    Das Mädchen schien nichts zu hören. Mit aufgerissenen,
starren Augen fixierte sie etwas Unsichtbares.
    »Susie, ich bin’s, Jeanne! Ich bin bei dir! Was hast du
denn? Ist es Carlo? Habt ihr gestritten?«
    »Carlo ist tot.«
    Jeanne streckte die Hand zur Seite und stützte sich an der
Kabinenwand ab. Sue Anns Tonfall erschreckte sie mehr als ihre Worte.
»Tot? Wie willst du das wissen, Sue Ann?«
    »Ich weiß es.«
    »Hast du es gesehen? Was ist passiert?«
    »Was wohl? Du weißt doch, was er ist. War.« Sie
sagte es im gleichen Tonfall: ruhig, leer, ohne Emotion. Jeanne lief
es kalt über den Rücken.
    »Susie…«
    »Und jetzt bin ich auch tot.«
    Die Tür zur Damentoilette ging auf. Jeanne spürte, wie
ihr Herzschlag aussetzte, und ein plötzliches
Schwindelgefühl erfaßte sie wie ein großer schwarzer
Vogel, der sich auf sie herabstürzte und ihr die Sicht nahm.
Eines der Revuegirls stürzte in die Nachbarkabine, murmelte:
»Verdammt!«, und im nächsten Moment plätscherte
es naß in die Muschel. Jeannes Schwindelanfall ging
vorüber, und sie konnte wieder sehen: Sue Ann, reglos auf der
Toilette, weiß bis in die Lippen.
    »Sue Ann, du mußt raus hier! Sofort! Kemper sagt
ohnehin, daß du gefeuert bist.«
    Sue Ann schien es nicht gehört zu haben. »Er hat mich
geliebt«, sagte sie tonlos. »Carlo hat mich
geliebt.«
    »Sofort, Sue Ann!«
    »Er hat mich wirklich geliebt. Er hätte seine Frau
verlassen. Demnächst.«
    »Ganz recht. Steh jetzt auf. Komm hoch!«
    »Ich bin die erste Frau, die er je geliebt hat. Ich meine, wirklich.« Ihre Augen starrten ausdruckslos auf die
Tür der Kabine.
    Jeanne erhob sich. Der unheimlich tonlose Monolog legte sich ihr
auf den Magen, und sie erschauerte. Sie hörte, wie auf der
Bühne die Musik für die nächste Nummer einsetzte.
Eigentlich sollte sie da draußen sein! Und Sue Ann auch. Wenn
sie beide fehlten, würde die Reihe der Girls mickrig
aussehen.
    Carlo war tot. Aus Panik wurde Wut. »Steh auf, verdammt noch
mal! Heb endlich den Hintern von diesem Klo!«
    Sue Ann stand nicht auf. Aber langsam, ruckweise wie eine
mechanische Blüte wandte sie Jeanne das Gesicht zu. »Cadoc. Verico. Cadaverico.«
    »Wie?« fragte Jeanne. Wieder machte ihr Magen einen
Satz. Sue Ann war übergeschnappt, und sie, Jeanne, stand in
einer Toilette in Las Vegas, zusammen mit einem verrückten
Mädchen, das dem Tod geweiht war! Und dann erst fiel ihr auf,
daß Sue Ann italienisch gesprochen hatte. Etwas, das Carlo ihr
beigebracht hatte, irgendwelchen verlogenen Makkaroni-Schmus von
einem zweigleisig fahrenden Mistkerl…
    »Es ist ein Scherz«, sagte Sue Ann mit
unveränderter Stimme. »Ein Scherz, der mich totmachen
wird.«
    Jeanne faßte Sue Ann an beiden Händen und riß sie
von der Toilette hoch. Dann zerrte sie sie hinter sich her zur
Tür hinaus und in die Garderobe der Revuemädchen. Kemper
war verschwunden. Von der Bühne sickerte die Musik zu
›Somehow I’ve Always Known‹ herüber.
    »Zieh das hier an.« Sie drückte Sue Ann Jeans und
einen gelben Baumwollpulli in die Hand. Als sie keine Reaktion
zeigte, packte Jeanne den Federhelm und riß ihn Sue Ann vom
Kopf, wobei ein paar Haarsträhnen in den Pailletten und Federn
hängen blieben. Dann zog Jeanne ihr kurzerhand den Pullover
über das hautfarbene Trikot mit dem Straßbesatz. Der
Pullover steckte fest. Sue Ann schnappte nach Luft und bekam keine,
also zerrte sie den Pulli selbst zurecht; ohne weitere Aufforderung
stieg sie aus den hochhackigen Schuhen und zog die Jeans über
das winzige federnbesetzte Höschen. Ihr Gesicht war immer noch
ausdruckslos.
    Jetzt schlüpfte auch Jeanne in ihre Kleider und in

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