Verkehrt!
mustert er mich misstrauisch.
Wir wünschen ihm einen guten Morgen. Ich tue so, als wüsste ich von nichts.
Er nickt nur und fragt Frank, – Alles in Ordnung?
– Ja, wir haben das gestern geklärt.
– Das sah nicht nach einfach klären aus.
– Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, zitiert Frank wohl einen Freund der Familie.
Der Mann staunt über diese Worte aus dem Mund eines Mädchens und stützt sich auf dem Tresen ab.
Ich schalte mich ein, – Wir hätten gerne einen kleinen Obstkorb, gemischt.
– Einen Korb?
– Ja.
– Muss es ein Korb sein?
– Das wäre schon schön.
– Ich habe aber keinen Korb.
– Dann irgendetwas anderes.
– Tüte.
– Etwas korbähnlicher darf es sein. Soll ein Geschenk sein.
– Ah, ein Geschenk.
Er verlässt seinen Platz hinter dem Tresen und geht die Regale an der Wand ab. Wir schauen ihm dabei zu, wie er nach einer Idee sucht.
Dann hebt er den ausgestreckten Zeigefinger, – Die Radieschen kommen immer in einer kleinen Holzkiste.
Er zieht eine schuhschachtelgroße Radieschenkiste hervor und zeigt sie uns.
– Perfekt, sagen wir beide einstimmig.
Der Mann schüttet die meisten Radieschen um in eine andere Kiste, einige lässt er drin, und greift sich dann einzelne Früchte aus den Regalen, wobei er sie immer in der Hand dreht, um sie auf ihre Qualität zu prüfen.
– Alles?, fragt er, – Irgendwelche Vorlieben?
– Egal, sage ich, – Hauptsache, einen Apfel und eine Banane, ansonsten einfach schön bunt.
Rasch ist er fertig und stellt die erstaunlich gut aussehende Kiste auf den Tresen.
– Das macht dann 12 , 50 Euro.
Wieder staunt er, als Frank zahlt. Er schaut mich an, – Das musst du noch ändern, in Zukunft solltest du zahlen.
Ich schnappe mir die Kiste, – Ich bin der Träger.
Wir verabschieden uns und joggen mit der Kiste bis zu Herrn Berntchens Haus.
Es ist eine kleine Doppelhaushälfte. Der Vorgarten ist nicht besonders gepflegt, die Gardinen hängen schief in den Fenstern. Eine kostenlose Wochenzeitung liegt vor der Haustür. Ohne zu zögern, klingele ich.
– Oh Mann, flüstert Frank neben mir.
Innen schlurft jemand langsam zur Tür.
Ich spüre meinen Herzschlag, als würde ich ein Gesetz brechen.
Die Haustür wird aufgezogen, und eine gebeugte alte Frau um die achtzig in einem Kittel und mit schlohweißem Haar blickt uns durch eine dicke Hornbrille an.
– Guten Morgen, Kinder.
– Guten Morgen, Frau Berntchen, sage ich und komme nicht weiter.
– Mein Gott, wie sieht denn dein Auge aus?
– Ist nix. Bin gegen eine Laterne gelaufen.
– Ich weiß nicht …
– Ist … Herr Berntchen zu Hause?
– Ja, der liegt im Bett, krank.
– Können wir ihn sehen? Wir haben Physik bei ihm.
– Was auch sonst.
– Wir haben ihm etwas mitgebracht.
– Das ist aber lieb von euch. Ich schau mal nach, bleibt schön hier.
Langsam schleicht sie den Flur entlang, wobei ihre Hausschuhe über die Bohlen schlurfen. Dabei redet sie mit sich selber, – Da soll noch einer sagen, die Jugend denke nur an sich selber.
Frank kratzt sich am Kopf, – Ich wusste nicht, dass er verheiratet ist.
Ich gucke ihn an, – Das ist wohl eher seine Mutter!
– Woher willst du das so genau wissen?
Sie ruft von innen, – Ihr könnt reinkommen. Micha ist in seinem Spielzimmer.
– Mutter, sage ich.
65
Frau Berntchen hält uns die Tür zum Spielzimmer unseres Lehrers auf.
Hervorragend, da werde ich noch in hundert Jahren von erzählen.
Elizabeth geht vor mit dem Obstkorb in ihren Händen. Als wir beide im Zimmer sind, lässt Frau Berntchen uns mit ihrem Sohn allein.
Der liegt auf einer Couch am Fenster in einer kurzen karierten Schlafanzughose und passendem hellblauen kurzärmligen Oberteil. Er hat sich auf seine Ellbogen gestützt, als könnte er uns so besser sehen. Sein rechter Fuß ist verbunden. Die Luft steht, es ist stickig, es riecht nach Schweiß, Jod und Knoblauch.
– Das ist aber eine Überraschung!, sagt er.
An seiner Türe kleben auf der Innenseite Fußballsammelbilder von Spielern, von denen ich noch nie etwas gehört habe, mit Frisuren und Bärten wie aus kostenlosen Internetpornos. Bonhof, Stielike, Heidenreich.
Haben die damals so ihr Gehalt aufgebessert?
– Wir dachten, so kurz vor den Ferien …, fängt Elizabeth an, vollendet aber nicht ihren Satz.
– Frank, was ist denn mit deinem Auge passiert?
– Bin doch im Boxverein.
– Soll ich das Jugendamt …?
– Nein,
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