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Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Titel: Verkehrte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
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ich hab das mitgegessen. Ich dachte, das wären Algenkräcker.« »So, Leute«, rief Otto, »genug gelacht, hier kommt der Nachtisch!«
    Sprach's und trug einen Topf mit einer undurchsichtigen Pampe auf.
    »Ist das nicht ein klassischer Rumtopf?«, fragte Max.
    »Genau, fein beobachtet!«
    »Und was ist das Besondere daran?«
    »Erst essen, Freunde, dann wird erklärt, so sind die Regeln«, sagte Otto streng. Alle quälten sich die alkoholgetränkten Obstbrocken rein.
    »Also meins ist das nicht«, stöhnte Dörte angewidert, »aber bei einem Kindergeburtstag wär's vermutlich ein Knaller.«
    »O.k.«, sagte Otto, »den Rumtopf habe ich bei meiner Oma im Keller gefunden, das Datum drauf konnte man nicht mehr lesen, aber drin lagen - haltet euch fest - drei tote und perfekt konservierte Ratten!«
    Alle schwiegen. Feixend goss Otto jedem einen Grappa nach.
    »O.k., Freunde«, brach Dörte das Schweigen, »kommen wir zur heutigen Wahl des Tagessiegers. Ich fasse noch mal zusammen: Otto hatte Rumtopf mit Rattenleichen drin, Max hat sein Gulasch von der Autobahn gekratzt, in meinem Käse wibbelten die Maden, Lars hat seinen Fisch aus der Mülltonne, und Gitta hat uns giftige Kartoffelkeime, Schuhwichse und altes Eigelb aufgetischt. Wie jeden Monat hatte jeder vorher einen Zettel gezogen. Vier Zettel waren leer, auf einem stand »Du«, und derjenige hat die Wahrheit gesagt, was die möglicherweise gesundheitlich bedenklichen Zutaten seines Ganges angeht. Die anderen haben gelogen. Ihr Gang ist völlig in Ordnung. Und nun kriegt jeder einen Zettel und schreibt auf, wer seiner Meinung nach heute die Wahrheit gesagt hat, wobei der Echte natürlich sich selbst aufschreibt. Tagessieger ist der beste Buffet-Bluffer, also der, der sein einwandfreies Essen am geschicktesten als vergammelt ausgibt.« Jeder schrieb einen Namen auf den Zettel, faltete ihn zusammen und schob ihn in die Tischmitte. Wer war der beste Kochblender?
    »Na dann wollen wir mal sehen«, sagte Dörte, die plötzlich stark schwitzte, etwas gepresst. »Das hatten wir ja noch nie«, stieß sie mühsam hervor, »jeder Name ist nur einmal vorhanden! Also einen Sieger gibt es schon mal nicht, aber wer hat denn heute die Bauchwehpampe gemacht, wer hat den Zettel mit dem ›Du‹ gezogen?«
    Alle holten einen Zettel aus der Tasche und entfalteten ihn. Auf jedem stand »Du«.
    »Wie konnte das ...« Bevor sie den Satz vollenden konnte, war Dörte schon vornüber in die Rumtopfreste gekippt.
    »Seht ihr«, sagte Max, der die ohnmächtige Dörte zusammen mit Otto zurück auf ihren Stuhl bugsierte und ihr mit seiner Serviette das Gesicht trocknete, »die Macht der Einbildung.«
    Nachdem sie wieder zu sich gekommen war, wollte es Dörte erst nicht glauben, als ihre Dinner-Freunde erzählten, dass Max die anderen angestiftet hatte, ihre leeren Zettel mit »DU« zu beschriften.
    »Na so was«, rief sie und lachte erleichtert, »darauf gönnen wir uns aber jetzt den teuersten Kaffee der Welt, etwa 300 Euro pro Pfund, ich habe nämlich von meinem Patenonkel ein Päckchen bekommen, der ist Kaffeeröster auf Java.« Wenige Minuten später dampfte vor allen ein Tässchen »Kopi Luwak«.
    »Sehr lecker«, sagte Otto genießerisch schmatzend, »und was ist jetzt das Besondere daran?«
    »Nun«, sagte Dörte, »ich werde es pantomimisch darstellen.« Sie stand auf, ging in die Hocke, verengte die Augen zu Schlitzen und deutete fauchend Prankenhiebe an. »Na, was ist das?«
    »Luftkatze«, rief Lars, »so wie Luftgitarre!«
    »Katze ist gut«, sagte Dörte, »weiter!«
    »Kackender Löwe«, rief Gitta.
    »Kacken ist gut, jetzt zusammen!«
    »Kackende Katze?«, kam es fünfstimmig zurück.
    »Genau, die Zibetkatzen fressen die Kaffeebohnen, scheiden sie aber unverdaut aus, und diese Fermentierung verleiht dem Kaffee seinen besonderen Geschmack!«
    »Heilige Scheiße«, rief Otto und sprang erregt vom Stuhl hoch, »ich hab ne Katzenallergie!«
    »Weiß ich doch, Liebes«, sagte Dörte, »deswegen hab ich die Fermentierung diesmal selbst übernommen.«
     
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CHAOSTHEORIE
    »Wir müssen uns klarmachen, dass noch die kleinste unserer Interaktionen ungeahnte, womöglich ungeheuerliche Folgen haben kann«, begann Warnfried Seelig-Trömmel sein Seminar. »Die Chaostheorie lehrt uns, in einfachen Worten ausgedrückt, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings letztendlich am anderen Ende

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