Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Titel: Verkehrte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
Vom Netzwerk:
Kuss, am dritten Abend anschließend in die Kiste, ganz nach amerikanischer Schule. Und heute war nun Valentinstag.
    Ich rufe an und sage: »Du, Jenny, wir müssten mal reden, kannst du vielleicht heute rüberkommen?«, ganz ernste Stimme.
    Sie, schon gleich leicht gepresst, fast stotternd: »Ja, was ist passiert, können wir .. «
    »Komm einfach rüber, geht's um vier?«
    »Ja.«
    Um Viertel nach vier klingelte es bei mir. »Ich bin's, Jenny!«
    »Ich komme runter«, schnarre ich durch die Gegensprechanlage. Unten finde ich zwei weit aufgerissene Augen auf Beinen vor. Tollen Beinen übrigens. Die Augen auch, obwohl sie schon auf »Wasser marsch« stehen. Ich hake sie unter und ziehe sie die Straße runter.
    »Ich habe mir was überlegt«, sage ich.
    Punktgenau kommen wir vor einer richtig tollen italienischen Boutique zu stehen, wo ich schon das eine oder andere Mal fündig geworden bin.
    »Siehst du das, was ich da sehe? Das Blüschen, den Nappa-Bolero, diesen Krepprock und die Riemchenpumps, die ein bisschen wie Manolo Blahniks aussehen? Ist alles deine Größe und schreit nach dir!«
    Die Sachen standen ihr sagenhaft. Mit den Prozenten, die ich hier bekam, war es auch gar nicht so schlimm.
    »Du siehst toll aus, schönen Valentinstag«, hauchte ich ihr ins Ohr und ließ ganz kurz die Zunge rausschnellen. Und richtig: Wasser marsch. Alle Dämme brachen auf offener Straße, ihr Weinkrampf erinnerte an Michael Schumacher in Monza, als er Sennas Rekord eingestellt hatte. Nach fünf Minuten ging mir ihr Geplärr auf den Senkel.
    »Jenny, ist gut jetzt«, sage ich zum x-ten Mal, den Hypnosemodus meiner Stimme aktivierend, »es ist doch nur eine kleine Aufmerksamkeit zum Valentinstag.«
    Das Blöde bei Frauen ist, man kann eine körperchemische Reaktion, einmal in Gang gesetzt, nicht mehr kontrollieren. Jenny gab jetzt eine Heulboje mit frischen Batterien.
    »Wenn du erst meine Frau bist, meine Weinkönigin, dann …«
    »Nimm die Fottfinger von der Perle, du Penner!«, ranzt mich plötzlich ein Typ von der Seite an, schubst mich weg und zieht Jenny zu sich.
    »Was erlauben Sie sich, Sie Blödmann, sehen Sie denn nicht, dass ich meine Freundin tröste«, schreie ich ihn an.
    »Ihre Freundin, ja?«, lacht das Subjekt dreckig und legt Jenny demonstrativ den Arm um die Schulter. Meinem Überraschungsangriff kommt er mit einem Kopfstoß zuvor, der mich an eine Litfaßsäule schleudert. Ich sah rot, klar, denn das Blut aus meiner klaffenden Stirnwunde lief mir in die Augen.
    »Wie findest du die Geschichte bis hierhin?«, fragte ich meine Frau, die die ganze Zeit an ihrem Pullover gestrickt hatte.
    »Nett«, sagte sie, »aber wie soll das enden, wer ist der Typ?«
    »Weiß ich noch nicht, vielleicht ihr Freund, den sie wegen guter Führung vorzeitig aus dem Knast freigelassen haben.«
    »Das ist doch doof, irgendwie total konstruiert, aber die Stelle mit dem Überraschungskauf in der Boutique ist nett, so was hast du mit mir noch nie gemacht. Guck mal, wie findest du den Pullover?«
    »Nett, aber wirkt irgendwie total … selbst gestrickt.«
    Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Leipzig 2011 mit der Transaktion-ID 1075178 erstellt.

DER KONFLIKT
    Horst legte den Ball auf den Elfmeterpunkt, drehte ihn mehrfach, bis die Nähte das Muster zeigten, das er brauchte, um verwandeln zu können. Aber er würde nicht verwandeln. 50 000 Euro sprachen dagegen, das war für einen Regionalligastürmer viel Holz, und es würde seinem behinderten Kind die Delfintherapie in Florida ermöglichen, in die seine Frau und er so viel Hoffnung setzten.
    »Unten rechts rein«, zischte ihm Jonah zu, sein Stürmerkollege auf halblinks, in Deutschland geborener Halbsenegalese, der jeden Euro darauf verwandte, seinen Vater zu finden. »Der Keeper fliegt immer nach links, hörst du?«
    Von diesem Elfer hing viel ab, womöglich der Klassenerhalt, und das bedeutete für alle auf dem Platz bares
    Geld.
    Der Torwart starrte Horst ausdruckslos an. Er wirkte eiskalt, dabei hätte er am liebsten gekotzt. 25 große Zettel würde die Wettmafia dafür zahlen, dass seine Mannschaft dieses Spiel verlor, und da war ein nicht parierter Strafstoß Pflicht. 25 000 Euro waren genau die Summe, die er brauchte, um die Liebe seines Lebens, eine bulgarische Konzertpianistin mit einem IQ von 143, aus dem Bordell freizukaufen.
    Horst ging sieben Meter zurück, sein Standardanlauf, und schloss kurz die Augen. Er hatte nicht mehr gebetet, seit seine drei

Weitere Kostenlose Bücher