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Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Titel: Verkehrte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
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Geschwister auf dem elterlichen Mähdrescher vom Blitz erschlagen worden waren.
    Und er betete auch jetzt nicht. Er warf einen kurzen Blick auf den Schiedsrichter, der diesen Elfer niemals hätte pfeifen dürfen. Der Stürmer war einen Meter vor der Strafraumgrenze zu Fall gekommen, der gegnerische Verteidiger hatte ihn gar nicht berührt. Horst wusste das, denn er selbst war dieser Stürmer. Es war auch keine Schwalbe gewesen, sondern Schwäche. Diese verdammte Chemotherapie, von der niemand etwas wusste. Zum Glück waren Glatzen unter jungen Fußballern nichts Ungewöhnliches.
    In diesem Moment platzte Freddi Oberon ganz vorne im Fanblock der Kragen. Bei der Bankenkrise hatte er seine ersparten 50 000 verloren, und jetzt sah er seinen Wetteinsatz auf dieses Spiel, die 15 000 von seiner bei einem Schwelbrand im Bett erstickten Tante weil sie das Rauchen im Bett nicht lassen konnte - schon wieder den Bach runtergehen. Wie mit einem Raketenantrieb versehen, übersprang der 2,14 m große, durchtrainierte Angestellte einer Security-Firma die Absperrung und stürmte auf den Platz. Blitzschnell nahm er den Schiedsrichter und den Elfmeterschützen in den Schwitzkasten, band die beiden mit seinem Fanschal zusammen und warf das verknotete Bündel in den Sechzehnmeter-Raum. Acht Spieler, die glaubten, sich einmischen zu müssen, legte er mit fließenden Kombinationen aus Low- und High-Kicks, Karate- und Boxschlägen sowie Judotechniken auf den Rasen und sah nun äußerst gelassen den Schiedsrichterassistenten entgegen, die, mit Eckfahnen bewaffnet, auf Freddi zustürmten, der mit achtzehn zur Bundeswehr gegangen war, sich dort aber derart gelangweilt hatte, dass er desertierte und sich der Fremdenlegion anschloss. Hier blühte er erstmalig in seinem jungen Leben auf und lernte, mit Angreifern jedweder Art und Anzahl kurzen Prozess zu machen, so wie jetzt mit den zwei Linienrichtern, deren laienhafter Angriff ihn fast rührte, erkannte er in ihnen doch plötzlich Tim und Tom, die Betreiber einer Schwulen-Bar, die er oft und gern besuchte.
    »Verpisst euch!«, zischte er ihnen gnädig zu und riss ihnen die Eckfahnen aus den Händen und zerbrach sie spielerisch. Dann führte er Horst am Ohr zum Elfmeterpunkt und sagte eindringlich: »Horst, du machst den jetzt rein, oder ich gebe dir deinen eigenen Sack zu fressen.«
    Sie liefen gemeinsam an, und dann geschah etwas, das einem einsamen Wetter, im Zivilberuf Hellseher, bei einem englischen Wettanbieter auf einen Schlag zwei Millionen einbrachte: Es gab ein Erdbeben, die Erde tat sich auf und verschlang das Stadion mit Spielern, Offiziellen, Wettmafiosi, Zuschauern und geparkten Autos. Ganz so, wie es der Hellseher, der seit seinem unvorhergesehenen Autounfall an den Rollstuhl gefesselt war, vorhergesehen hatte.
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DER MENTALIST
(EL ZEPHALO)
    »Wieviel ist 5 mal …«
    »275«, kam die Antwort, wie mit Lichtgeschwindigkeit.
    »... 55«, kleckerte der Zuschauer nach, sichtlich um Fassung ringend.
    »Ich hatte die Frage nicht mal fertig gestellt«, stammelte er, »wie konnten Sie da das Ergebnis schon wissen?«
    »Bin ich Mentalmagier, oder was?«, blaffte El Zephalo und wandte sich einer Zuschauerin zu. »Sie, die Dame in dem cremefarbenen Ensemble mit dem altrosa BH darunter und oh ... lä, lä, das gehört wohl nicht hierher, würden Sie bitte auf die Bühne kommen?«
    »Nein!!!«
    »Ich wusste, dass Sie das sagen würden, aber Sie werden Ihre Meinung ändern, wenn ich sage, dass ich Ihnen anschließend ein Zettelchen zustecken werde mit Namen, Adresse und Telefonnummer der Person, mit der Ihr Mann Sie betrügt, oder?«
    Die angesprochene Dame erhob sich.
    »Hören Sie«, antwortete sie, »was die Farbe meiner Unterwäsche angeht, so kann ich Ihre Annahme nicht bestätigen, denn ich bin farbenblind, und was meinen Mann angeht, so überrascht mich gar nichts mehr. Aber wenn Sie mir sagen, wie die Geheimzahl seiner Mastercard lautet, dann komme ich zu Ihnen auf die Bühne.«
    El Zephalo wirbelte mürrisch seinen langen schwarzen Umhang herum.
    »Sie wollen mich herausfordern? Ich wusste, dass Sie eine harte Nuss sind, aber ich werde Sie knacken . später . bitte . jetzt muss ich mich konzentrieren.«
    Er legte die Fingerspitzen an die Schläfen und murmelte, sich wie in Trance hin und her wiegend: »Er hat Schuhgröße 43, er ist 56 Jahre alt, er fährt einen 7er BMW, er hat graue

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