Verkehrte Welt
Augen.«
Die Zuschauerköpfe bewegten sich wie beim Tennis von El Zephalo zu der Dame, die seine Angaben jeweils mit einem kurzen Nicken bestätigte. Als hätte er den Matchball verwandelt, riss der Mentalist plötzlich einen Arm hoch und zeigte wie mit einem Torerodegen auf die Dame: »Ja, ich bin sicher, die Nummer lautet 5643.«
»Prima«, rief die Dame, »dann werde ich das gleich mal überprüfen, der Geldautomat steht ja gleich nebenan, aber das wissen Sie natürlich!«
»Natürlich, und ich weiß auch, dass Sie sich das sparen können, denn Ihr Mann hat seine Mastercard sperren lassen.«
Weiß wie die Wand sank die Frau auf ihren Sitz zurück, das Publikum raste, und El Zephalo brachte seine Vorstellung zu Ende. Nach der Show klopfte es an seine Garderobe.
»Treten Sie doch ein, Frau von Wachenheim-Sobitzky«, sagte der Magier.
»Sie kennen meinen Namen?«, fragte die Frau fassungslos.
»Aber Gnädigste, das ist für einen Mentalisten von meinen Gnaden nun wirklich nicht der Rede wert, und ich wusste auch, dass Sie mich aufsuchen würden, denn Sie wollen noch eine Information von mir, richtig?«
»Nur das, was Sie mir zugesagt haben, den Namen der Person, mit der mein Mann mich betrügt.«
»Man kann es nicht Betrug nennen, wenn ein Mensch beschließt, dass er seine Ehe beenden muss, weil er ohne den neuen Partner nicht weiterleben kann, das werden auch Sie in Kürze begreifen. In diesem Umschlag finden Sie die Information, die ich Ihnen versprochen habe, aber es ist sehr wichtig, dass Sie diesen Umschlag erst öffnen, wenn Sie wieder zu Hause sind, es geht dabei um Leben und Tod.«
Der Magier löste langsam den Blick seiner stahlblauen Augen, die sich an den ihren förmlich festgesaugt hatten. Sie nickte stumm und ging. Daheim angekommen, stellte sie fest, dass ihr Mann bereits ausgezogen war. Erregt öffnete sie den Umschlag und entnahm ihm eine Visitenkarte. Sie gehörte El Zephalo.
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DER STURZ
Es begann damit, dass Ewald die Kellertreppe hinunterstürzte. Weil anderthalb Flaschen apulischer Primitivo einen Männerkörper nahezu vollständig entspannen, trug er keinerlei sichtbare Schäden davon, aber als er mit drei neuen Flaschen im Arm wieder die Wohnküche betrat, sagte er: »Der Aufzug ist kaputt.«
Marga war in ein 3-D-Puzzle vertieft. Sie schaute nicht einmal hoch, als sie nachfragte: »Welcher Aufzug?«
»Na, der Aufzug hier«, antwortete Ewald und stellte die Flaschen auf den Tisch.
»Wir haben hier keinen Aufzug, Ewald«, sagte Marga und warf einen prüfenden Blick auf ihren Lebensgefährten. Er sah etwas erregt aus, und seine Physiognomie hatte einen leichten Linksdrall. Vielleicht ein Schlaganfall, dachte sie und überlegte, ob sie ihm nicht ein Mittagsschläfchen empfehlen sollte. Aber Ewald wirkte vergnügt, pfiff einen Wiener Walzer und tänzelte im Takt, während er eine Weinflasche öffnete.
Marga wollte sich schon wieder ihrem Puzzle zuwenden, da fragte er: »Soll ich für dich mal an der Stange tanzen?«
»Bist du verrückt geworden?«
Überrascht und mit leichtem Abscheu betrachtete Marga ihren mit dem Hinterteil wackelnden Ehemann.
»Du trinkst zu viel, und außerdem haben wir keine Stange.« »Du hast keine Fantasie, ich könnte doch einen Besenstiel nehmen«, sagte Ewald, goss sich großzügig ein, füllte auch für Marga ein Gläschen und setzte sich zu ihr.
»Komm, Weiblein, stoß mal mit mir an«, forderte er sie auf, »lass uns auf das Leben trinken.«
»Du weißt doch, dass ich deinen Fusel nicht ausstehen kann«, sagte sie und schob angewidert ihr Glas weg.
Ewald kippte seines auf ex. »Mein Gott, es ist nicht leicht, ein Stachelschwein am Arsch zu lecken«, sagte er frustriert, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Du bist gemein«, zischte sie.
»Und du bist sterbenslangweilig.«
Eine Zeit lang herrschte Ruhe. Plötzlich fuhr er hoch: »Wo sind meine Kasperpuppen?«
»Ewald, die sind in der Bombennacht in Dresden verbrannt, genau wie deine Eltern und Geschwister, das hab ich dir schon so oft erklärt, und jetzt gib Ruhe, ich muss mich konzentrieren«, sagte Marga streng.
Ewald starrte sie entgeistert an und begann leise zu weinen. »Ich bin 83 und Vollwaise und habe meine Kasperpuppen verloren, und du schreist mich an«, klagte er in einem schwer erträglichen Falsettton.
»Du bist 93, und in diesem Alter sind die
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