Verkehrte Welt
seit Tagen in der Scheiße, weil du die Handwerker, die das verstopfte Klo reparieren sollten, mit deiner Besserwisserei fast zu Tode genervt hast. Die kommen nicht mehr wieder, und von mir aus kannst du auch abhauen, am besten nach Katachesien!«
»Wenn schon, dann Katachresien, meine Liebe«, sagte ich beschwichtigend.
»Ach, leck mich doch! Ausgerechnet die Bibel ein Geschichtsbuch, Fakten, Fakten, Fakten, ja? Du musst es ja wissen, du warst ja vom ersten Tag an dabei, hast Gott auf die Finger geschaut beim Erdemachen. Hoffentlich hat er sich immer zu deiner Zufriedenheit korrekt ausgedrückt. Wahrscheinlich nicht, denn man hat lange nichts mehr von ihm gehört.«
Sprach's, sprang auf und sprintete hinaus. Ich liebe Alliterationen, also Stabreime. Es ist eine alte Angewohnheit von mir, Dinge, die mir passieren, quasi von außen zu beobachten und sozusagen gleich in die Schriftform zu bringen, und da hängt die Latte natürlich hoch. Auch das führt zu Reibereien mit meiner Frau, die sich sprachlich oft defizitär artikuliert, um nicht zu sagen insuffizient. Aber was soll's, sie kocht ganz annehmbar, und im Bett gibt's Schlimmeres. Und jetzt werde ich mich mal um das verstopfte Klo kümmern. Wir haben von Silvester noch ein paar Kanonenschläge übrig, da braucht man doch keinen Installateur.
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FRIEDENSPFEIFE
Old Tremblehand hatte die Friedenspfeife des Apatschenhäuptlings mit den Worten: »Danke, ich versuch's mir gerade abzugewöhnen«, zurückgewiesen, und so stand er nun am Marterpfahl und döste seinem grässlichen Ende entgegen. Eigentlich hätte er schon vor zwei Tagen zu Tode gemartert werden sollen, aber Häuptling »Fließendes kaltes und warmes Wasser« war von einem tückischen Darmvirus aufs Lager gestreckt worden, und der neue Medizinmann bekam den Dünnpfiff nicht in den Griff.
»Was gäbe ich jetzt für einen dreistöckigen Bourbon«, dachte Old Tremblehand, der alte Westmann und Spiegeltrinker, »aber ein Kavallerieregiment wäre auch nicht schlecht, oder wenigstens ein Biber, der mir die Lederriemen durchnagt.« In diesem Moment spürte er eine Berührung an seinen Händen, just da, wo die Fesseln saßen. Jemand legte einen kleinen Kasten in seine Hände. Mit zittrigen Fingern ertastete Old Tremblehand eine Drehschraube. Oh, dachte er, vielleicht kann ich noch was drehen, und zog den Mechanismus bis zum Anschlag auf. Es erklang in leisem Klimpersound die Melodie: Spiel mir das Lied vom Tod.
»Was ist das denn für ein Scheißlied?«, dachte der alte Westläufer, der auf seiner selbst gebauten Gitarre so manchen Country- und Westernsong komponiert und an Hunderten von Lagerfeuern zu Gehör gebracht hatte, Lieder wie »Vom Winde verweht«, »Die Blechtrommel« oder »Dieser Weg wird kein leichter sein«.
Rasch zerdrückte er die Spieluhr zwischen seinen dünnen Fingern, um sie zum Schweigen zu bringen, und spürte etwas, was der Indianer nicht kennt, der weiße Mann aber sehr wohl: Schmerz. Irgendetwas Scharfkantiges hatte ihn geritzt. Sofort begann die halbe Hundertschaft Gehirnzellen, die er sich noch nicht weggesoffen hatte, zu rattern.
»Etwas Scharfes, das Haut ritzt, schneidet womöglich auch Lederriemen«, dachte er. Gedacht, getan, Sekunden später massierte der alte Haudegen seine tauben Handgelenke, während seine Falkenaugen nach dem besten Fluchtweg suchten.
Plötzlich stand ein Indianerkind vor ihm und plärrte: »Du hast meine Spieluhr kaputt gemacht, du Eierloch!«
Old Tremblehand hob das Kind sacht an den Ohren hoch und sagte: »Immer schön Galama, du Furzknoten, ich bin Old Tremblehand, meine Freunde nennen mich Werner, und wer bist du?«
»Und ich bin eine Dame, du Arsch«, rief das Kind und trat ihm heftig gegen das Schienbein. »Ich heiße ›Schöne Aussicht mit Meerblick‹, und mein Papa ist der Häuptling hier, kapiert?«
»Ach so, entschuldige, aber vor lauter Kriegsbemalung hab ich gar nicht gesehen, dass du eine hübsche kleine Squaw bist. Als Häuptlingstochter kannst du mir doch sicher was zu trinken besorgen. Ich bin nämlich total dehydriert.« Der alte Fuchs hatte nichts verlernt: Einer Frau muss man erst mal schmeicheln, dann kann man an ihr weiches Herz appellieren, und wenn man dann noch durchblicken lässt, dass sie etwas Besonderes ist, hat man so gut wie gewonnen. Sie würde also verschwinden, um ihm ein Getränk zu besorgen, und er würde sich
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