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Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Titel: Verkehrte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
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in die Büsche schlagen und wäre gerettet.
    Doch plötzlich stand eine dicke alte Squaw vor ihm und keifte: »Was macht meine Tochter ›Schöne Aussicht mit Meerblick‹ hier mitten in der Nacht bei dem zum Tode am Marterpfahl verurteilten Bleichgesicht, und wieso bist du nicht gefesselt, Werner?«
    Dem alten Trapper fiel es wie Schuppen von den Augen: Vor ihm stand seine tot geglaubte Frau, die vor vielen Jahren von den Sioux entführt worden, von denen an die Ogellallah verkauft, dann nach kurzen Zwischenstopps bei den Cheyenne und den Komantschen schließlich bei den Apatschen gelandet war.
    »Gretchen«, stammelte er verwirrt, »du hier?«
    »Nix Gretchen«, gab sie unfreundlich zurück, »ich heiße jetzt: ›Die vom Dichterfürst über dem großen Teich in seinem Hauptwerk erwähnt wird‹ und bin die vierte Nebenfrau des Häuptlings, und wenn dessen Durchfall abgeklungen ist, werde ich mit Vergnügen zusehen, wie dir der Arsch aufgerissen wird, mein Lieber!«
    »Wie alt ist ›Schöne Aussicht mit Meerblick‹ jetzt, Gretchen?«
    »Sechseinhalb.«
    »Tja, dann ist sie wohl meine Tochter, da du vor genau sechs Jahren entführt worden bist.«
    »Ich weiß, und sie sollte Heidi heißen, aber du musstest ja das Saufen anfangen und hast hackedicht, wie du warst, überhaupt nicht gerafft, wie ich entführt wurde, statt mich bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen.«
    »Wohl wahr«, versetzte der alte Westmann, und seine Augen wurden feucht. »Aber liebes Gretchen, es ist nie zu spät, wenn du mir verzeihst, werde ich ein anderer Mensch. Ich will verdammt sein, wenn ich nicht hier und heute dich und unsere Tochter von hier entführe und wir drei ein neues Leben beginnen, wie findest du das?«
    So oder ähnlich würde der alte Lederstrumpf bei Karl May gesprochen haben, aber der ist lange tot, und das Leben ist kein Ponyhof.
    Und so betrachtete der alte Säufer seine schwer aus dem Leim gegangene Frau und die bunt bemalte kleine Kackbratze und sagte: »Tja Gretchen, man kann den Zahn der Zeit nicht überkronen, wie es so schön heißt, die Eieruhr des Schicksals kann man nicht umdrehen, das Fußballspiel des Lebens kennt keine Zeitlupenwiederholung, aber bevor wir uns hier verplaudern: war schön, euch getroffen zu haben, sag deinem Mann einen schönen Gruß, bei Durchfall sind Salzstangen mit Cola immer noch das Beste, und vielleicht sieht man sich ein andermal am Marterpfahl.«
    Sprach's und verschwand im Unterholz.
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GEISTERBAHN
    »Papa, ich muss dir was sagen!«
    »Was'n los, Emil?«
    »Ich kann mich unsichtbar machen.«
    »Häh?«
    »Ja, ich kann mich unsichtbar machen, in echt jetzt.«
    »Zeig mal!«
    »Das ist ein bisschen schlecht jetzt ...«
    »Wie, schlecht, entweder du kannst, oder du kannst nicht!«
    »Na ja, es geht nur, wenn ich an mir rumspiele.«
    »Du willst mir erzählen, wenn du dir einen von der Palme wedelst, wirst du unsichtbar?« »Sozusagen.«
    »Los, mach, das will ich sehen!«
    »Du musst dich aber umdrehen!«
    »Bist du bescheuert? Dann sehe ich doch nicht, ob du unsichtbar wirst!«
    »Doch, wenn ich unsichtbar bin, sage ich jetzt, und du kannst dich umdrehen, und dann siehst du mich nicht mehr.«
    »Und wo ist der Trick?«
    »Kein Trick, es passiert einfach!«
    Und es passierte. Zum ersten Mal seit langer Zeit war Erwin Vonderbank, Besitzer einer traditionsreichen Geisterbahn, wirklich baff.
    »Und wie lange hält das vor?«
    »So etwa 20 Minuten.«
    »Mh, das macht bei Hochbetrieb 40 Wagen ...«
    »Papa, du denkst immer nur ans Geschäft!«
    »Ja an was soll ich denn sonst denken, ich habe eine Geisterbahn, ein Erschreckungsunternehmen und einen Sohn, der beim Wichsen unsichtbar wird, an was würdest du denn da denken?«
    »Ach Papa, versteh doch, mir ist das einfach unheimlich, ich weiß nicht, ob das ein Wunder oder ein Fluch ist, und richtig mulmig wird mir, wenn ich überlege, wie das weitergehen soll, ich meine, wenn ich mal nicht alleine bin und wir, na ja, du weißt schon, was passiert denn dann?«
    »Hm, gute Frage, mein Sohn, du meinst, ob du beim Poppen auch verschwindest, bzw. unsichtbar wirst, aber du bleibst fühlbar, oder wie oder was, also das solltest du unbedingt ausprobieren!«
    »Wie denn, Papa, ich bin 13!«
    »Und hast du keine Freundin? Als ich in deinem Alter …«
    »Was steht ihr hier so belämmert rum?«, fragte Emils Mutter, die in diesem Moment mit zwei

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