Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)
du, was sie mir vorgeschlagen hat, Harald?« Trine fährt fort, bevor er auch nur mit dem Kopf schütteln kann. »Sie hat vorgeschlagen, einen Blick in die Logfiles des Justizministeriums zu werfen, um herauszufinden, wer mir am Montagmorgen diese wenig freundliche E-Mail geschickt hat. Die kam übrigens unmittelbar, bevor du in mein Büro geschlendert bist. Was glaubst du, wie hoch die Chancen stehen, dass sie diese E-Mail zu deinem Computer zurückverfolgen kann?«
Ullevik räuspert sich. »Dazu hat sie gar nicht das Recht.«
Trine schnaubt. »Du solltest dich besser nicht als Moralapostel aufspielen, Harald. Und falls du vergessen haben solltest, welches Ministerium ich in den letzten drei Jahren geleitet habe – was meinst du, wie schwer es für mich sein wird herauszufinden, ob du am Montagmorgen tatsächlich einen Anruf der VG bekommen hast, wie du es behauptest? Unmittelbar bevor die Hölle losgebrochen ist?«
Er antwortet nicht, senkt aber den Blick.
»Sieh mich an, Harald!«
Zögernd hebt er den Kopf.
»Schau mir in die Augen! Sehe ich so aus, als hätte ich Lust, diesen Kampf zu verlieren?«
»Nein«, sagt er und richtet sich auf. »Aber du wirst ihn niemals in der Öffentlichkeit führen.«
»Und genau in diesem Punkt irrst du dich, Harald. Ich werde Pål Fredrik alles erzählen, wenn ich jetzt gleich nach Hause komme. Und weißt du, warum? Ich ertrage es nicht, mit einem Mann unter einem Dach zu leben, den ich hintergangen habe. Es kann gut sein, dass dies das Ende unserer Ehe bedeutet, aber auf lange Sicht wäre sie vielleicht ohnehin vorbei gewesen. Das Unausgesprochene hätte einen Keil zwischen uns getrieben. Ich weiß aus Erfahrung, wie eine Familie an einem Geheimnis zugrunde gehen kann. Und nur, damit du es weißt: Ich kann all meine Bewegungen in Dänemark dokumentieren. Flugticket, Hotelzimmer, sogar den Arzttermin und die Quittung für das, was ich dort habe machen lassen. Katarina ist bereit zu bestätigen, dass sie mir bei der Organisation geholfen hat. Und wer weiß – vielleicht erzählt sie der Öffentlichkeit auch, wie du in den Besitz der Munition gekommen bist, die du so hinterhältig auf mich abgeschossen hast. Was meinst du, werden die da drinnen«, Trine zeigt auf die Tür hinter Ullevik, »dazu sagen? Deine Frau? Deine Kinder? Ich habe eigentlich keine Lust, dies alles vor den Medien auszubreiten, Harald. Damit ist keinem von uns gedient. Es wirkt sich nur auf unsere Familien aus und sicher auch auf den Ministerpräsidenten und die Partei. Aber ich werde nicht zögern, die Karten auf den Tisch zu legen, solltest du Justizminister werden. In aller Öffentlichkeit. Betrachte das als ein Versprechen.«
Der Regen hat wieder zugenommen. Ulleviks Wangen sind noch röter geworden. Er sieht sie lange an, ehe er sein Glas leert und an ihr vorbei in den Garten starrt.
Trine kann dem Drang zu lächeln nicht widerstehen.
Ein Teil von ihr hofft inständig, dass Ullevik dies alles für einen Bluff hält und das Ministeramt annimmt, damit sie vor die Medien treten und sich dadurch in aller Öffentlichkeit reinwaschen kann. Aber insgeheim weiß sie, dass er diesen Schritt nicht machen wird. Sie sieht es ihm an. Seine Schultern hängen, und seine Kiefermuskulatur ist seltsam verzerrt. Trine hätte nicht schlecht Lust, ihm noch einen allerletzten Stich zu versetzen, um den Schmerz, der in seinen Augen widerscheint, zu verstärken. Aber sie lässt es bleiben, dreht ihm den Rücken zu und geht.
89
Henning überquert beim Café 33 die Straße und biegt in die Seilduksgaten ein, die wie eine stille Oase inmitten des belebten Stadtteils liegt. Er ist derart in Gedanken versunken, dass der Mann, der hinter ihm auftaucht, ihn zwei Mal ansprechen muss, bis er reagiert.
»Nicht umdrehen!«
Henning dreht sich trotzdem um, erkennt das Gesicht des Mannes jedoch nicht, weil dieser sich abwendet. Aber Henning hat gesehen, dass seine Hände in den Taschen stecken und er die Kapuze tief in die Stirn gezogen hat.
»Einfach weitergehen«, sagt der Mann. »Geradeaus und nicht umdrehen!«
Henning tut, was der Mann sagt, während sein Herz verkrampft und er sich fragt, ob er diesen Mann schon einmal gesehen hat. Aber es klingelt nichts.
Sie nähern sich dem Markveien, der wie ein schwarzer Fluss vor ihnen liegt, überqueren die Straße und gehen weiter, bis Henning vor seinem Hauseingang die Schritte verlangsamt, aber der Mann treibt ihn weiter. Henning überquert die Steenstrups gate und geht in
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