Verleumdung
dieses Treffen alles andere als zufällig gewesen war. Wie viel wusste der Dolmetscher wirklich? Die unehrenhafte Entlassung aus der Armee – das ganz sicher. Dass er in der Sicherheitsbranche arbeitete, war vermutlich auch nicht schwer zu erraten gewesen. Aber wusste er mehr als das? Nur Jonas’ engster Kreis kannte die Probleme, unter denen er litt, seit er wieder zu Hause war. Die Angstattacken, die Depression, und wie sehr das alles seine Beziehung zu Lex belastete. Im Irak war Firaz allerdings ein Meister darin gewesen, Informationen über alles und jeden in Erfahrung zu bringen. Jonas hatte eine düstere Vorahnung, dass er dieses Talent auch an jedem anderen Ort zum Einsatz bringen konnte. Es fand sich immer jemand, der Firaz’ Sprache sprach.
So überraschte es Jonas auch nicht weiter zu hören, dass Firaz’ Asylantrag wahrscheinlich bald stattgegeben wurde. Soweit er wusste, gab es mehrere Hundert Dolmetscher und andere unentbehrliche Iraker, die sich zu Recht bedroht fühlten, nachdem sich die Soldaten aus dem Land zurückgezogen hatten. Die dänische Regierung musste demzufolge widerwillig auch jene evakuieren, die ihr Leben durch die Fraternisierung mit den Besatzungstruppen aufs Spiel gesetzt hatten. Jonas zweifelte allerdings daran, dass Firaz tatsächlich aus Angst nach Dänemark gekommen war. Viel wahrscheinlicher schien ihm, dass der Iraker ein gutes Geschäft witterte.
Jonas versuchte sich zusammenzureißen. Er wollte dieses Treffen endlich hinter sich bringen.
»Hör mal, Firaz. Nett, dich wiederzusehen. Aber worauf willst du hinaus? Ich sehe dir doch an, dass du irgendwas von mir willst?«
Der andere lächelte.
»Genau das meine ich! Du bist ein kluger Mann, der sich nicht so leicht hinters Licht führen lässt. Okay. Ich mach dir ein Angebot, das du kaum ausschlagen kannst. Du bist zu etwas Höherem berufen, als Leuten wie mir eine Absage zu erteilen.«
Jonas hatte keine Lust, noch weiter zu protestieren. Er wollte nur, dass der Mann seine Ausführung beendete, damit er höflich, aber bestimmt »Nein, danke« sagen konnte, von hier wegkam, zu seinem Auto, das ihm aus irgendeinem Grund gerade als der sicherste Ort auf der Welt erschien. Aber Firaz ließ sich Zeit.
»Ich rede hier von richtig viel Schotter, Holm. Nicht von den paar Mäusen, die ihr mit eurem bisschen Security macht, sondern genug Geld, um alles zu kaufen, worauf deine Frau gerade zeigt. Häuser, Autos, Schmuck, Pelze, Gucci, Chanel, alles, Mann. Glaubst du nicht, dass das die Liebe zwischen euch wieder ein bisschen mehr entfachen könnte?«
Jonas musste sich zusammenreißen, um nicht vom Stuhl aufzuspringen und dem Dolmetscher mit einem Hieb die Nase zu brechen. Seine Stimme bebte.
»Nun sag endlich, was du willst, Firaz.«
Der andere sah sich hastig im Raum um und beugte sich dann vertraulich zu Jonas vor.
»Erinnerst du dich noch an die Kleinigkeiten, mit denen ich damals im Camp gehandelt habe? Viele von euch fanden doch, es wäre wahnsinnig romantisch, der Angebeteten etwas besonders Authentisches aus dem Irak mitzubringen. Versuch mal, dir diesen Markt um das Tausendfache potenziert vorzustellen. Ein riesiges Geschäft, und alles ist vorbereitet. Ich habe Bargeld vor Ort, die Fracht ist geregelt, und ich weiß, dass es hier genug interessierte Kunden gibt. Alles, was mir noch fehlt, ist ein Däne. Und du bist genau der Richtige.«
4
E ndlich hatten sie den Lammefjord erreicht. Doch kaum waren sie kurz vor Gundestrup von der Fernstraße abgebogen, protestierte das Navi.
»Wir haben hier keine Kartenabdeckung. Ich hoffe, wir landen nicht bis zu den Knöcheln im Kuhmist«, sagte Boserup.
»Sie werden den Weg schon finden, da bin ich mir sicher«, erwiderte Linnea.
Sie sah nicht von ihrem Blackberry auf. Über den Lammefjord wusste sie nicht viel mehr, als dass es ein großer, eingedeichter Fördenarm im Gebiet Odsherred war, wo man wegen des sandigen Bodens vor allem Kartoffeln, Karotten und Zwiebeln anbaute. In der Zwischenzeit hatte Bodilsen zurückgerufen und sie über die näheren Umstände informiert. An diesem Wochenende hatte eine größere Übung für die Polizeibeamten und Suchhunde aus der Region stattgefunden. Schon während die Polizisten noch die Suchposten verteilt hatten, schlugen einige der Hunde an einer Stelle an, wo ein kleineres Loch im Waldboden zu sehen war. Dort war im letzten Herbststurm ein alter Baum umgefallen und hatte die Erde aufgerissen. Zunächst hatte sich niemand weiter um
Weitere Kostenlose Bücher