Verliebt in eine Gottin
erschreckenden Schönheit gewesen, selbst noch in ihren Neunzigern, mit den hervorstehenden Wangenknochen und den dunklen Augen, ständig getrieben von Ungeduld und Wut. »Ihr könnt von Glück reden, dass ihr eure Vorfahren nicht kennen lernen konntet.«
»Ich glaube, Grandma Bea mochte ihre Mutter.« Abby blickte sich in der Küche um. »Ihre Mom hatte dieses Kaffeehaus damals, 1925, aufgemacht, als das College gebaut wurde, und es
später an Grandma Bea übergeben. Ich glaube, Abi-simti war in Ordnung.«
»Wen schert das?« Wieder stellte Daisy ihr geleertes Glas auf der Tischplatte ab. »Das ist Geschichte, und jetzt ist jetzt.« Sie stocherte in dem Korb. »Wo haben sich nur all die Rumdrosseln versteckt?«
Shar zog den Korb zu sich und grub eine Bacardi-Flasche für Daisy aus. »Uns schert das«, erklärte sie, während sie sie ihr reichte. »Wir müssen wissen, was sie damals taten, weil uns das hilft, herauszufinden, was Kammani heute vorhat. Vor allem, wenn Abby dieses Tonikum herstellen kann. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es nützlich wäre, diese Machtfarben zu sehen, aber so nützlich auch wieder nicht, dass ich dafür noch einmal ein Gebräu von Kammani trinken würde.«
»Na ja, Humusi muss wohl eine ziemlich forsche Nudel gewesen sein«, meinte Daisy. »Alles, was ich von ihr weiß, ist, dass sie einen Kerl namens John Summer geheiratet und dafür gesorgt hat, dass er ein Vermögen im Baugewerbe verdiente. Protzig lebten sie in diesem großen gelben Haus die Stra ße runter. Meine Großmutter erbte all das Geld und verlor es irgendwie, und wisst ihr, Peg ist nicht gerade glücklich darüber.«
»Peg?«, fragte Shar.
»Meine Mutter mit den plötzlichen Allergien«, erklärte Daisy und kippte einen weiteren Bacardi wie Medizin.
»Wovon lebt sie denn?«, fragte Shar weiter in einem Versuch, die Puzzlestücke zusammenzusetzen.
»Sie hat meinen Vater überlebt.« Daisy hob eines der geleerten Fläschchen in die Höhe. »Du glaubst, dass Bea versuchte, Tonikum zu machen, Abby, und deine Großmutter, Shar, versuchte, die Geschichte zu bewahren, und die Worthams kleben offensichtlich immer noch an allem, was mit Tod zu tun hat. Vera verkaufte Vitaminpräparate, und ich wette, sie hatte das von ihrer Mutter. Das ist fast so wie … wie nennt man diese
Agenten, die jahrelang irgendwo ein ganz normales Leben führen, bis sie aktiviert werden? Schläfer?«
»Ich glaube, da hast du recht«, stimmte Shar zu. »Ich glaube, sie sollten auf Kammani warten, aber sie kam nicht.«
Daisy lehnte sich zurück, und Shar sah, dass sie nun entspannter war. Sie war sogar teuflisch entspannt.
Oder vielleicht bin eigentlich ich das , überlegte sie und trank ihren zweiten Drink aus.
Daisy stellte ihre leere Flasche auf dem Tisch ab. »Na ja, jetzt ist sie hier, und wir müssen etwas tun, denn ich werde nicht zusehen, wie ihr sterbt, und auch Gen und Bun rührt mir keiner an.« Daisy streckte die Hand nach dem Korb aus. »Auf Mina kann ich verzichten. Gib mir noch eine Rumdrossel.«
Abby wühlte in dem Korb und warf Daisy ein weiteres Bacardi-Fläschchen zu, das diese nur mit Mühe auffing. Dann reichte sie Shar noch einen Wodka. »Auch noch Orangensaft?«
»Ach ja«, erwiderte Shar und fühlte sich durchaus benebelt. Abby brachte die Saftflasche, und Shar blickte mit zusammengekniffenen Augen zu ihr auf. »Geht es dir gut? Du bist so still.«
»Ich bin schon okay«, erwiderte Abby und blickte zur Seite. »Ich suche also jetzt hier nach allem, was von Abi-simti stammen könnte, vor allem nach dem Tonikumrezept.«
»Was ist los?«, bohrte Shar nach. Der Schnaps hatte sie so weit beruhigt, dass ihr jetzt manche Dinge auffielen. »Ist etwas passiert?«
»Weißt du, wen du fragen könntest?«, meinte Abby. »Sam.«
»Der ist’ne harte Nuss«, bemerkte Daisy. »Aber das ist jetzt dein Bier, Shar. Zerr den Kerl ins nächste Bett und fummle die Informationen aus ihm raus.«
»Daisy!«, sagte Shar vorwurfsvoll.
»Wieso, ist doch keine schlechte Idee«, befand Daisy. »Wir brauchen Insider-Informationen, und du bist sowieso scharf auf ihn. Außerdem steht er total auf dich.«
»Er steht auf alle«, gab Shar scharf zurück. »Weiberheld, erinnerst du dich?«
»Ja, aber du würdest es doch für uns tun«, meinte Daisy und beugte sich vor.
»So was wie ein Opfer«, ergänzte Abby. »Wirf dich einfach auf seinen gehörnten Altar …«
Daisy kicherte, ein echtes Kleinmädchenkichern, und Shar biss sich auf die
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