Verliebt in eine Gottin
sie älter wurde.«
»Die Form eines Sterblichen anzunehmen, ist für einen Gott gefährlich«, stellte Sam keksnuschelnd fest. »Das kann stärker sein als das Göttliche. Schließlich sitzt man in der Falle, so wie sie hier. Es wird ihr kaum gefallen haben, in der Falle zu sitzen.«
»Du hast sie wirklich gut gekannt«, meinte Shar, und es gefiel ihr überhaupt nicht.
»Nein«, entgegnete Sam und begegnete ihrem Blick. »Nicht wie wir hier.«
Shar streckte das Kinn herausfordernd vor. »Weil du nicht mit ihr geschlafen hast.«
»Nein«, widersprach Sam. »Ich hab’s dir doch gesagt. Weil sie nicht wie du war.«
Sag’s mir bitte noch einmal . Shar pickte sich einen weiteren Keks aus der Schüssel, bemüht, nicht pathetisch und rührselig zu werden. Er verschwand noch immer jeden Abend nach dem Essen und kam nicht vor Mitternacht zurück, also was konnte sie für ihn schon Besonderes bedeuten? Mach dich endlich wieder an deine Arbeit . »Heißt das, dass Kammani auch in der Falle sitzt?« Könnten wir sie aus der Falle holen und irgendwohin abschieben?
»Ich weiß es nicht. Sie war schon immer in diesem Körper, wenn ich bei ihr war. In der alten Welt und in dieser Welt.«
Was genau heißt ›bei ihr‹? »Wie ist sie denn überhaupt hierhergekommen? Na ja, wir wissen, dass die sieben sich in einer Art tiefem Schlaf befanden, bis mein Großvater Sharrat aufweckte, indem er ihren Sarkophag umkippte …« – Es gibt da einen Film, der darauf passt wie die Faust aufs Auge -, »… aber in dem Tempel standen damals nur sieben Särge. Sharrat hat wohl die anderen sechs aufgeweckt, aber wo war Kammani?«
»Wahrscheinlich bei ihnen«, erwiderte Sam ohne besonderes Interesse. »Oder im Äther, und wartete darauf, dass man sie rief. Götter leben durch den Glauben. Wenn niemand an sie glaubt, können sie nicht mehr zurückgerufen werden.«
»Aber da waren doch die sieben, die an sie glaubten.« Shar sah, dass er die Stirn runzelte, und fuhr fort: »Hör mal, wenn du darüber nicht sprechen möchtest …«
»Warum möchtest du das wissen?«, fragte Sam. »Für dein Buch?«
Shar wollte schon bejahen, dann aber dachte sie: Wenn du ihn liebst, dann hast du Vertrauen zu ihm . »Nein. Ich will wissen, wie sie hierherkam, damit wir das Ganze umkehren und sie wieder zurückschicken können.«
Sam nickte. »Sie wurde gerufen. Ich glaube nicht, dass die sieben genug Macht hatten, um sie von dort zu rufen, wohin Ishtar sie geschickt hatte, aber hier ist etwas geschehen, und viele Menschen haben ihren Namen gerufen, und da kam sie zurück.«
»Viele Menschen.« Shar überlegte, aber er hatte nicht verärgert gewirkt, als sie ›sie zurückschicken‹ sagte. »Wenn wir viele Menschen dazu brächten, zu rufen: ›Kammani, go home‹, würde das funktionieren?«
»Nein, sie ist jetzt hier.« Sam rutschte auf dem Bett hin und her und blickte unbehaglich drein.
»Ist das schlecht?«, fragte Shar. »Ärgert es dich, wenn wir darüber sprechen, sie zurückzuschicken?«
»Nein.« Sam wirkte etwas müde. »Ich glaube, dass sie zurückgehen muss. Sie versteht diese Welt überhaupt nicht. Ich habe versucht, es ihr zu sagen, aber sie hört jetzt nur auf Mina.«
»Du hast versucht, es ihr zu sagen?« Shar ließ vor Staunen ihren Keks fallen. »Du versuchst auch, sie von hier fortzubringen?«
»Sie gehört nicht hierher«, antwortete Sam. »Aber ich war bei Ereshkigal, als Ishtar sie verbannte, deswegen weiß ich nicht, wie Ishtar es getan hat.«
»Danke, dass du versucht hast, sie loszuwerden.« Shar musste
sich zurückhalten, ihm nicht aus Dankbarkeit um den Hals zu fallen. »Du bist eben doch der beste aller Götter.«
»Wenn du die Götter kennen würdest, wüsstest du, dass das kein besonderes Kompliment ist.«
»Du kennst also Ereshkigal?«, wunderte sich Shar.
»Ich hatte sie drei Jahre lang mindestens vier Monate pro Jahr am Hals«, antwortete Sam düster. »Die reinste Nervensäge.«
Shar lachte, und er musste ebenfalls lächeln, und sie dachte: Ich möchte nie wieder aus diesem Raum fort.
Nur dass sie die Welt retten mussten.
»Du hast gesagt, dass Sharrat hier in der Falle saß.« Sie schluckte. »Sitzt du auch in der Falle?« Möchtest du weg von hier?
»Ich hatte immer die Form eines Sterblichen.« Er wirkte ganz zufrieden damit. »Ich wurde von meiner Mutter geboren, als sie die Form einer Sterblichen angenommen hatte. Das Göttliche ist in mir.«
Vor einer Stunde war es in mir, und da war es auch
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