Verliebt in einen Gentleman
Freundinnen. Ich starre mit brennenden Augen auf das Display, als gälte es, die Welt zu retten.
„Irgendwie bist du wenig kommunikativ, wenn du so daddelst“, protestiert Inez. „Was machst du denn da? Hängst du immer noch auf der Lakritze-Brücke fest?“
Sofort grinsen alle drei.
Ich ignoriere sie und sage: „Ja. Es ist furchtbar. Ich HASSE dieses Spiel. Guck mal, wenn ich nicht aufpasse, wachsen da neue Schokoladenstücke, und es geht gar nicht mehr. Es ist praktisch unmöglich, dieses blöde Level zu schaffen.“
Catherine sagt: „Man müsste dich mal filmen, damit du sehen könntest, wie du beim Spielen aussiehst. Entspannt ist anders.“
Denise sagt: „Warum lässt du dich von dem dummen Spiel so ärgern? Deinstalliere es einfach, und fertig.“
Ich presse die Lippen auf einander. Dann sage ich: „Weil ich weiß, dass ich das KANN. Wenn ich nur lang genug dran bleibe, dann schaffe ich es.“ Mir wäre lieb, sie würden einfach den Mund halten, damit ich mich konzentrieren kann.
Die Mädels schweigen einen Moment tatsächlich und sehen sich gegenseitig an.
Sie scheinen sich gegenseitig wortlos zu signalisieren: „Lea spinnt.“
Catherine sagt vorsichtig: „Und was hast du dann davon, wenn du es über die Lakritze-Brücke geschafft hast?“
Ich sehe auf und sage begeistert: „Das wäre das Tollste. Dann komme ich in das nächste Level.“
„Pfff!“, sagt Denise, „und dann in das nächste, und dann in das nächste...und inzwischen stirbst du an einem Magengeschwür, weil du dich so sehr aufregst.“
Inez hebt eine Augenbraue und sieht mich streng an. „Weißt du, was ich glaube, Lea? Du bist spielsüchtig. Das ist voll krass. Ich habe zwar immer davon gehört, aber jetzt erlebe ich es bei meiner eigenen Freundin. Gruselig!“
„Ach, Quatsch“, sage ich, „ich mache das nur, weil es mir gut tut und ich dabei chillen kann.“
„Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole“, sagt Catherine, „aber sehr entspannt wirkst du dabei nicht.“
„Ja, weil man sich halt konzentrieren muss.“
Inez schaut eine Weil lang über meine Schulter zu, wie ich spiele. Gut so, dann kann sie auch sehen, wie toll das Spiel ist und auch verstehen, warum es mir so viel Spaß macht.
Nach einer Weile sagt sie: „Du weißt aber hoffentlich schon, dass das ein reines Glücksspiel ist. Du bildest dir zwar ein, dass du so geschickt und clever agierst, aber in Wirklichkeit fallen diese bunten Teilchen doch ganz zufällig von oben herab.“
„Das stimmt nicht“, sage ich. „Guck, wenn ich diese vier hier kombiniere, dann...“
Auf einmal fallen mehrere Spielteile tatsächlich so herunter, dass alles nur so funkelt und blitzt. Auf dem Bildschirm erscheint die Nachricht: „Herzlichen Glückwunsch! Du hast dieses Level gewonnen!“ Ich gestehe, jetzt sieht es schon ein wenig nach Glück aus. Zu dumm.
Egal, ich werfe mich in das Sofa zurück und jubele. „Endlich, ENDLICH habe ich es geschafft! Kommt, wir gehen runter ins Dorf und ich gebe euch allen ein Ale im Pub aus. Das müssen wir feiern.“
Aber Inez ist unbeeindruckt. Sie sagt verächtlich: „Und ich sage dir, Lea, es war DOCH nur Glück. Ich habe es doch gesehen. Ich verstehe nicht, wie du mit diesem Scheiß so viel Zeit vertun kannst.“
Ich sehe sie betroffen an. „Meinst du?“
Denise sagt: „Ja. Du bist spielsüchtig, Lea, auch, wenn du es nicht wahrhaben willst. Ihr Mädels, wer von euch meint, dass Lea spielsüchtig ist? Finger hoch!“
Alle drei heben ihre Hand und sehen mich anklagend an.
Catherine sieht, wie mich das schockt. „Komm, Lea“, sagt sie sanft, „ich schlage mal Folgendes vor: Du deinstallierst das blöde Spiel jetzt und hier, und zur Belohnung gehen wir mit dir ins Dorf und WIR spendieren DIR einen Drink. Was hältst du davon?“
Ich schwanke. Die Entscheidung fällt mir nicht leicht. Ich MAG das Spiel. Ich liebe es, die bunten Bonbons über das Display schwirren zu sehen. Es würde mir fehlen. Okay, ich könnte das Spiel theoretisch wieder installieren, wenn ich in Gatingstone bin, und sie es nicht merken, aber irgendwie spüre ich, dass ich mir dann selber nicht mehr in die Augen sehen könnte.
Andererseits bin ich gerührt, dass die drei sich so sehr mit mir und meinen – zugegebenermaßen – Spinnereien beschäftigen. Ich will sie nicht enttäuschen. Und außerdem flüstert hinten in meinem Kopf ein Stimmchen, das sagt: „Sie haben recht, Lea, und du weißt es auch. Du verbringst zu viel Zeit mit dem
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