Verliebt in einen Gentleman
tauschen einen Blick.
„Heißt das etwa, was ich meine?“, fragt Catherine.
„Ich habe keine Ahnung, was du meinst“, sage ich schroff.
„Ihr seid aber noch zusammen?“
Ich sehe irritiert von meinem Spiel auf. Dann sage ich: „Catherine, du – von allen Menschen – müsstest doch wissen, dass eine Beziehung nie ganz glatt laufen kann. Manchmal gibt es auch Bereiche, an denen man arbeiten muss.“
Eine Pause entsteht. Anscheinend legt Catherine sich ihre Antwort erst zurecht. Dann sagt sie behutsam: „Falls du damit meinst, dass ich aus meiner Beobachtung heraus bei euch beiden einen Handlungsbedarf gesehen habe, dann: Ja, Lea, es stimmt. Doch wenn du Ethan so liebst, wie ich meinen Christian, dann kann ich nur sagen: es lohnt sich, und ich wünsche dir viel Glück und ein gutes Händchen. Ich verstehe ganz und gar, was du zur Zeit durchmachst.“
Ich bin ganz gerührt.
Eigentlich hatte ich in den vergangenen Monaten das ungute Gefühl, dass Catherines und mein Verhältnis ziemlich gelitten hatte. Ich freue mich, dass sie offensichtlich so solidarisch mit mir ist. Ich lächle sie dankbar an.
„Ich bin froh, dass ich mit euch mitkomme“, sage ich. „Ihr seid mir liebe Freundinnen.“
„Und jetzt verrätst du uns, was du immerfort mit deinem Handy machst“, sagt Inez vergnügt, und lockert damit sofort die Atmosphäre auf, die recht ernst geworden war.
„Ich überquere die Lakritze-Brücke, unter der ein Monster lauert“, sage ich mit Bierernst, „und wenn du es genau wissen willst, habe ich noch vor wenigen Tagen dem Einhorn zu seinem Horn geholfen. Ich bin ganz schön stolz auf mich, denn es war sauschwer.“
Jetzt gibt es kein Halten mehr. Die Stimmung schlägt total um, und wir lachen alle so, dass wir kaum damit aufhören können.
Unser Haus in Polperro liegt weit über dem Hafen auf einem Hang, von dem aus man über die Bucht und hinaus auf das Meer sehen kann. Wahnsinnig schön.
Das Haus hat wohl mal einem Seefahrer gehört. An den Wänden hängen Stiche mit Segelschiffen. Ansonsten ist alles sehr schlicht eingerichtet. Die einzigen Farben sind weiß und blau. Die Inneneinrichtung lenkt nicht von dem Wesentlichen ab: Dem fantastischen Blick.
Vor den weißen Sprossen der Fenster ziehen die Möwen ihre spielerischen Kreise und geben ihre wilden Schreie von sich.
Zu Füßen des Hauses liegt ein verwilderter Garten, den man über Moos-bewachsene Stufen erreichen kann. Weit unten bedrängen sich die bunten Dächer der Häuschen im Hafen. Auf der anderen Seite der Bucht erstrecken sich grüne Wiesen auf hohen Klippen, die sich in der Ferne verlieren.
In der Mitte der rustikalen Küche steht ein gescheuerter Naturholztisch mit schlichten Bänken. Catherine und ihre Schwester haben in weiser Voraussicht einige Lebensmittel mitgebracht, die wir flink in die Schränke einräumen. Inez will schon den Abendbrottisch decken, aber wir anderen drei protestieren sofort.
„Nein“, sagen wir fast einstimmig, „wir wollen erst noch hinunter in den Hafen und ans Meer.“
Der Weg ins Dorf geht über tausende von Stufen herab. Der Hafen bezaubert uns sofort. An den engen Gassen, die mit groben Kopfsteinen gepflastert sind, stehen süße, alte, schiefe Häuser. Und doch sind sie alle liebevollst gepflegt. In den engen Fensternischen stehen Gefäße mit Stiefmütterchen und Maßliebchen.
Hier gibt es kaum Autos, denn dafür sind die Wege viel zu eng. Wir wandern hinunter bis zur Hafenmauer. In der Abendsonne sieht es so aus, als wäre das Hafenbecken mit flüssigem Gold gefüllt, auf dem die kleinen Boote der Einheimischen munter an ihren Tauen tanzen.
„Gott, ist das schön“, seufzt Inez.
„Komm“, sagt Denise, „wir gehen ein wenig an der Küste entlang, nur ein kleines Stück. Mal sehen, ob es hier einen Strand gibt.“
Wie sich herausstellt, gibt es keinen breiten, weißen Strand, wie unsere Bretoninnen ihn erwartet haben. Stattdessen gibt es kleine, enge Buchten direkt unter den hohen Klippen. Catherine steigt über die Steine, die am Ende der ersten Bucht in das Wasser ragen und von den Wellen umspült werden.
„Ich werde verrückt“, sagt sie, „hier gibt es Winkles.“
„Wie bitte?“, frage ich.
„Sie meint Periwinkles“, sagt Denise und eilt ihrer Schwester zur Seite.
„Hurra!“, sagt Catherine. „Hat jemand eine Plastiktüte?“
Inez hat tatsächlich eine leere Einkaufstüte in der Seitentasche ihres Anoraks. Die beiden Schwestern reißen sie ihr praktisch aus der
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