Verliebt in einen Gentleman
Geduld hat. Ich kann nur bestätigen, dass Christian ganz verwandelt ist, seit meine Schwester in England ihre Frau steht.“
Inez nimmt einen tiefen Zug aus ihrem Ciderglas, wischt sich mit dem Handrücken den Mund ab und schüttelt ihren Kopf. „Ich freue mich für Catherine, ehrlich, aber ich glaube, dass – realistisch betrachtet – so ein Glücksfall wie ihr Christian nur sehr, sehr selten ist. Meine Theorie ist diese: Wenn zwei Menschen nicht gleich vom Anfang an zusammen passen und harmonieren, dann sollten sie lieber gleich die Finger von einander lassen. Sagen wir es mal so: Wenn ich einen Kerl kennenlerne, dann möchte ich nicht, dass er mich irgendwie verändert und erzieht. Er soll von mir, Inez, durch und durch begeistert sein.“ Sie sieht selbstbewusst in die Runde und sagt mit funkelnden Augen: „Das ist doch das Mindeste, was man erwarten kann und sollte, oder?“
Denise und Catherine lachen beifällig, aber mir geben ihre Worte einen Stich.
Ich weiß genau, dass es bei mir und Ethan nicht so war. Vielleicht war er in mich verliebt, aber durch und durch begeistert...nein. Das war bestimmt nicht der Fall. Ethan hat sich große Mühe gegeben, mich nach seinem Geschmack zu verändern, weil ihm so vieles an mir nicht gepasst hat.
Inez redet weiter: „Und umgekehrt, finde ich es nicht in Ordnung, wenn man einem Mann signalisiert, dass man ihn super findet, und in Wirklichkeit heckt man schon heimlich aus, was man an ihm verändern will, weil man etwas an ihm blöd findet. Wenn ich der Mann wäre, fände ich das regelrecht unfair und hinterhältig.“
Wieder fühle ich mich ertappt. Genau das habe ich doch vor. Ich bin doch aktuell dabei, mir einen Plan zurecht zu legen, wie ich Ethan beibringe, dass er mich nicht so behandeln darf, wie er es bisher getan hat. Wenn ich mit mir ehrlich bin, war ich zunächst so verknallt in Ethan, dass ich seine Fehler nicht erkannt habe. Jetzt sehe ich ihn kritischer und sehne mich danach, ihn durch mein Wirken zu beeinflussen.
Denise sieht Inez skeptisch an und sagt: „Wenn die ganze Menschheit so denken würde, wie du, dann wäre sie schon längst ausgestorben, Inez. Nie und nimmer glaube ich, dass ein Paar von Anfang hundertprozentig harmonieren kann. Das ist so etwas von utopisch. Immer müssen sich beide auf einander einstellen.“
„Ja“, schaltet sich jetzt Catherine ein, „aber das funktioniert nur, wenn jeder das Wohl des anderen hoch hängt und er ihn respektiert und auch weiß, dass der andere ihn respektiert. Sonst geht das garantiert in die Hose.“
Sie macht eine Pause und sieht mich bedeutsam an.
Ich weiß, worauf sie anspielt, sage aber nichts.
Denise wirft ein Stück Strandholz in das Feuer, so dass die Funken hoch fliegen und sich im schwarzen Nachthimmel verlieren.
Die Gesichter meiner Freundinnen erscheinen auf einmal deutlicher im Licht der tanzenden Flammen.
Denise sagt: „Das würde aber auch voraussetzen, dass man von Anfang an total ehrlich ist und sich nicht irgendwie blöd verstellt, um den anderen zu beeindrucken.
Sonst weiß der doch gar nicht, worauf er sich einlässt.“
Inez sagt: „Aber das macht doch jeder, ist doch klar. Man will sich erst gegenseitig gefallen. Da macht man das halt.“
Ich räuspere mich und sage heiser: „Aber irgendwann muss man damit aufhören, sonst kann man es nicht mehr durchhalten.“
Die anderen sehen mich prüfend an. Oder bilde ich mir das nur ein? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die ganze Unterhaltung sich total um mich und meine Probleme mit Ethan dreht.
Das macht mich jetzt kribbelig. Haben die drei sich sogar gegen mich verschworen? Haben sie sich vorher verabredet, dass sie das Thema extra Richtung Beziehungskisten biegen wollen? Vielleicht versprechen sie sich davon, dass sie mir damit helfen können, wer weiß?
Ach, Quatsch. Ich leide schon unter Verfolgungswahn. Aber trotzdem bin ich das Thema jetzt leid. Es ist nicht so, als würde ich mir nicht sowieso genug Gedanken darüber machen.
Ich springe auf, falte meine Decke und sage brüsk: „Mir ist jetzt kalt. Ich gehe zum Haus zurück. Ihr könnt ja noch bleiben, wenn ihr Lust habt.“
„Nein, nein – wir kommen mit“, murmeln sie wie aus einem Mund. Wir werfen Sand auf das Feuer, damit es erstickt wird, sammeln unsere sieben Sachen zusammen und stolpern im Halbdunkel über den unebenen Strand zurück zum Dorf.
Obwohl wir zusammen aufgebrochen sind, gehe ich zügig voraus. Ich möchte mit meinen Gedanken alleine
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