Verliebt in einen Unbekannten
sein könnte â¦Â«, fügte er hinzu und verschwand in der Loge.
»Was das anbetrifft, übernehme ich«, mischte sich Shelley ein. »Ich muss bloà schnell noch telefonieren â¦Â« Ohne auch nur einen einzigen Blick in meine Richtung zu werfen, folgte sie ihm zu ihrem Platz und zischte etwas in ihr BlackBerry.
»Sie hat mich so lange genervt«, sagte Hailey und schaute mich verlegen an, »bis ich ihr verraten habe, dass du in Bowes verliebt bist. Das war wohl ein Fehler. Ãhm, tut mir echt leid, Chas.«
»Das sollte es auch.«
Ich hatte keine Ahnung, welche weiteren Ãberraschungen Shelley für mich auf Lager hatte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie mir gar nicht gefallen würden.
Es dauerte eine Weile, bis ich mich in die Handlung einfand. Auch wenn ich nicht unbedingt ein Shakespeare-Fan war, kannte ich das Stück doch gut, schlieÃlich stammte Sams berühmter Anmachspruch aus dem Sturm. Ich war neugierig geworden, als ich sah, wie er zu Unizeiten reihenweise die Mädchen aus Nachtclubs und Bars abschleppte, also hatte ich Sam gebeten, mir sein Exemplar zu leihen. Ich hatte das Stück gelesen, kein Wort verstanden und ihn bitten müssen, mir auf die Sprünge zu helfen. Sam hatte mit solch einer Begeisterung darüber referiert, dass ich angebissen und Shakespeares Sturm wieder und wieder gelesen hatte. Am Ende hatte ich es sogar zu meinem Lieblingstheaterstück erklärt. (Es war das einzige, das ich verstand, aber das zählte nicht.)
Sam und ich hatten uns über die Jahre hinweg diverse Inszenierungen angeschaut, und ich war äuÃerst enttäuscht gewesen über die Luschen von Mirandas, die auf der Bühne gestanden hatten. »Nun, Chas, das ist auch eine miese Rolle«, hatte Sam erklärt. »Miranda spricht all diese Verse und hat dennoch so gut wie keine Tiefe. Nur eine wirklich herausragende Schauspielerin kann sie zum Leben erwecken.« Katia Wunderschön, so schien es, war solch eine wirklich herausragende Schauspielerin. Sie war von subtiler Weiblichkeit, gleichzeitig stark und unbeugsam, überdies zeigte sie wahre Bühnenpräsenz. Gott sei Dank ist sie verheiratet , dachte ich. Was Sam auch von ihr halten mochte, ich für meinen Teil bewunderte sie.
Und dann betrat Sam die Bühne. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Lachend schlenderte er herbei, plauderte mit zwei anderen Männern und sah dabei entspannter und natürlicher aus als in unserem Wohnzimmer. Der Intendant hatte den Schauplatz auf eine imaginäre Insel vor der Küste Ãgyptens verlegt, das Stück spielte kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, und Sam trug einen schicken cremefarbenen Safarianzug. Sein Haar war zur Seite gegelt, und er hielt eine dünne Zigarette in der Hand. Das Bühnenlicht tauchte ihn in die warmen Farben des Spätnachmittags, und nicht mal sein buschiger Schnurrbart konnte seine Schönheit beeinträchtigen. Ich erwartete die Bowes-Schauspielerstimme zu hören, doch als er anfing zu sprechen, erkannte ich diese sanfte, gefühlvolle Stimme kaum.
Ich fing an zu lächeln.
Ein paar Sekunden später stellte ich fest, dass ich von einem Ohr zum anderen grinste, und warf Shelley einen schnellen Seitenblick zu, um mich zu vergewissern, dass sie nichts bemerkt hatte. Natürlich hatte sie etwas bemerkt. » NA ALSO !«, zischte sie und hielt albernerweise die Daumen in die Höhe. Ich schüttelte nur den Kopf.
Als zwei Stunden später der Vorhang fiel, war ich noch mehr in Sam verliebt als zuvor. Das Publikum flippte schier aus und spendete stehend Beifall. Die Schauspieler kamen triumphierend auf die Bühne, ekstatisch, Sam grinste über beide Backen. Als er an der Reihe war, sich zu verbeugen, und nach vorne trat, konnte ich sehen, dass er restlos glücklich war. Ich klatschte noch lauter. »Bravo!«, brüllte ich und strahlte zu ihm herab.
Er blickte auf, entdeckte mich, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Er riss die Augen auf und winkte mir aufgeregt zu, ohne sich auch nur eine Sekunde um die Etikette zu scheren. Das Publikum folgte seinem Blick und entdeckte mich mit meinen schmuddeligen Klamotten und meinem fettigen Topfschnitt. Doch das war mir egal. Ich hielt die Augen auf Sam gerichtet und applaudierte, so fest ich konnte. Ich liebe dich , dachte ich. Ich liebe dich über alles!
Egal, ob ich aussah wie eine Bäuerin, ich musste Samuel Bowes sagen, was ich
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