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Verliebt in einen Unbekannten

Verliebt in einen Unbekannten

Titel: Verliebt in einen Unbekannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Robinson
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Wahrscheinlich war sie auch noch betrunken. Großartig. »Na schön«, lenkte sie kleinlaut ein. »Aber könntest du ihm bitte erst eine Abfuhr erteilen? Er soll nicht denken, dass ich an einem Freitagabend nichts vorhabe. Es ist ja möglich, dass sich meine Pläne erst in letzter Minute ändern.«
    Ich seufzte. »Sicher. Ich muss auflegen, Shelley. Schönen Nachmittag.«
    Â»Was um alles in der Welt war das denn?«, fragte Ness. Sie sah aus wie ein empörter Kobold. Ich liebte meine Schwester.
    Wir standen inzwischen gute fünf Minuten vor der Haustür unserer Eltern. Ein paar späte Rosen kletterten in grimmigem Eifer an der Wand neben der Eingangstür hoch, der Geruch nach Fisch-Pie waberte aus dem offenen Küchenfenster. »Ach, nichts«, wiegelte ich ab. Ich wusste einfach nicht, wo ich anfangen sollte.
    Ness lachte. »Was immer es war, es war nichts. Komm schon, spuck’s aus.«
    Â»Du glaubst, ich bin komplett durchgeknallt?«, fragte ich ein paar Minuten später.
    Ness blickte mich verdutzt an. »Nein«, sagte sie langsam. »Aber ich – die Sache mit Sam … Was hat das zu bedeuten, Charley?«
    Â»Da gibt es keine ›Sache‹ mit Sam«, entgegnete ich. »Wir haben uns gegenseitig Ghostwriter-E-Mails geschickt, ohne davon zu wissen. Jetzt wissen wir’s. Für fünf Minuten war das ganz schön peinlich, dann haben wir beschlossen, unsere beiden Kunden zusammenzubringen. Ende.«
    Â»Aber … da war so viel Chemie, Charley. Ich habe die Mails gelesen. Glaubst du nicht, du und Sam …«
    Â»Nein« , widersprach ich entschieden. »Niemals. Nicht in einer Trillion Jahre.«
    Ness schüttelte den Kopf, als erwache sie aus einer Trance. »Du hast recht«, sagte sie. »Sam ist ein unverbesserlicher Schürzenjäger.« Ich musste kichern, als ich hörte, wie Nessie Sam als »unverbesserlichen Schürzenjäger« bezeichnete, dann brach ich in herzhaftes Lachen aus.
    Â»Was ist denn hier draußen los?«, tönte Granny Helens Stimme aus dem Küchenfenster. »Sind das die Zeugen Jehovas, oder sind das meine Enkelinnen?«
    Wir grinsten einander an und marschierten ins Haus.
    Â»Es geht ihr besser, als wir erwartet hätten«, flüsterte Mum, als sie uns in der warmen, dampfigen Küche ein Glas Wein einschenkte. »Letzte Nacht hat sie zehn Stunden geschlafen, und als sie aufwachte, hat sie nach einem belegten Brot mit Räucherhering verlangt, mit Kiwi garniert.«
    Mum und Dad hatten Granny Helen vor ein paar Jahren nach Kalifornien auf einen ihrer »New Age«-Trips mitgenommen, inklusive komfortabler Hotels und Luxus-Transfers. Meine Großmutter hatte dort einen Narren an Kiwis gefressen – Kiwis waren damals in Großbritannien noch nicht angesagt gewesen – und Mum und Dad nach ihrer Rückkehr einmal die Woche in einen gut zwanzig Kilometer entfernten Supermarkt geschickt, um ihr welche zu besorgen. Als Mum einmal an Weihnachten vergessen hatte, Kiwis zu kaufen, streikte Granny Helen. »Die Frau dort lebt noch im Mittelalter«, beschwerte sie sich. »Serviert einem nicht mal Kiwi zum Frühstück.«
    Â»Das klingt doch ganz positiv«, sagte ich unsicher.
    Â»Definitiv«, pflichtete Mum mir bei. »Sie hat deinem Vater ihren Stock über den Hintern gebraten, als er ihr gesagt hat, Malcolm dürfe nicht bei ihr im Bett schlafen. Wenn er einer sterbenden Frau nicht mal ihren letzten Wunsch erfüllen wolle, habe er eine kräftige Ohrfeige verdient.«
    Mir wurde ein bisschen leichter ums Herz. »Klingt für mich nicht gerade nach einer Frau, die im Sterben liegt.«
    Â»Nein«, entgegnete Mum trocken. »Nein, ich glaube nicht, dass es so schlimm um sie bestellt ist. Dennoch sollten wir uns nichts vormachen: Ein Schlaganfall in ihrem Alter bleibt nicht ohne Folgen.«
    Granny Helen war in einer Minute hellwach und in der nächsten müde und benommen. Dad tat unterdessen so, als wäre nichts passiert. Den ganzen Abend über trug er eine Maske der Fröhlichkeit zur Schau und ließ jede Menge schlechte Witze auf Granny Helens Kosten vom Stapel, die sie mit ihrer üblichen Schärfe parierte. Seht ihr? , schien er zu sagen, wenn sie ihn wieder einmal zusammenstauchte. Seht ihr? Es geht ihr gut! Nach der Fisch-Pie stellte Mum Großmutter zu Ehren einen ganz besonderen Kiwi-Baiserkuchen auf

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