Verliebt in einen Unbekannten
ihn wohl vergessen hat und mit irgendeinem Typen aus Manhattan rummacht!«
»Alle Achtung«, sagte ich und lieà mich rücklings aufs Sofa fallen. »Die zwei sind wirklich ineinander verknallt. Und ein bisschen verrückt. Shelley hat mich gestern am späten Abend angerufen und gejammert, William habe sie abserviert. Dann hat sie mir während der Nacht mehrere E-Mails geschickt, um mir mitzuteilen, ich solle das Ganze abblasen. Sie meinte, sie würde einfach die Nerven verlieren.«
»Wie bitte? Er hat sie doch eingeladen! Wieso soll das eine Abfuhr sein?«
Ich winkte ab. »Frag besser nicht.«
»Die sind völlig gaga«, bemerkte Sam.
»Total«, bestätigte ich. »Kaffee?«
»Ja, bitte. Einen starken.«
Ich stand auf und stellte die Espressomaschine an. »Ich glaube, das Einzige, was Shelley davon abbringt, komplett durchzudrehen, ist, wenn William sich für den Freitagabend etwas Megageiles einfallen lässt.«
»Und warum sollte er das tun?«
»Weil sie am Boden zerstört war, dass er seinen Donnerstagstermin ihretwegen nicht abgesagt hat. Es bedarf einer groÃen Geste, um sie zu überzeugen, dass er es ernst meint.«
Sam schnappte nach Luft. »Ist die bescheuert? Er will Freitagabend mit ihr ausgehen! Wen zum Teufel schert da der Donnerstag?« Er wirkte aufrichtig verwirrt.
Ich zuckte die Achseln. Natürlich war das verrückt. Bescheuert. Dennoch, so peinlich es auch sein mochte, ich konnte nachvollziehen, was Shelley in die Situation hineininterpretierte. Sam, dem klar wurde, dass er von mir nicht die erhoffte Unterstützung bekommen würde, wandte sich wieder seinem Computer zu.
»Was macht sie am liebsten?«, fragte er schlieÃlich genervt. »Vielleicht könnte ich genau das für den Freitagabend vorschlagen.«
Ich wusste es nicht, und zudem wollte ich nicht wirklich darüber nachdenken. Ich war nervös, weil ich mich noch nicht mit meiner Arbeit für Salutech befasst hatte. »Keine Ahnung. Hör mal, Bowes, ich muss mich jetzt wirklich an die Arbeit machen. Schlag ihr einfach etwas vor, was ihr das Gefühl gibt, etwas ganz Besonderes zu sein.«
Sam blickte mich ein paar Sekunden an. Ich konnte die Enttäuschung in seinen Augen sehen. Immerhin hatten wir ein Abkommen getroffen â wir kümmerten uns gemeinsam um William und Shelley, tauschten uns untereinander aus.
Und das warâs. Ich brachte es nicht über mich, jemanden zu enttäuschen, daher würde ich Sam helfen müssen, ganz egal, was mich an Arbeit erwartete. Dann würde ich eben erst um Mitternacht fertig werden.
Genüsslich öffnete ich Shelleys frühere E-Mails. »Hm ⦠lass mal sehen, sie geht gern ins Fitnessstudio â¦Â«
»Da musst du mir schon etwas Besseres bieten«, unterbrach mich Sam. »Was soll ich denn da vorschlagen? Einen Protein-Shake in der Mitgliederlounge, gefolgt von einem Quickie in der Sauna?«
»Still, Bowes, ich lese ⦠Aha! Sie liebt die Oper, ganz besonders Die Perlenfischer. «
Das Duett in Die Perlenfischer finde ich unglaublich schön , hatte mir Shelley in ihrer Selbstauskunft Mitte September geschrieben. Die Wucht ihrer Gefühle hatte mich erstaunt: Ich muss jedes Mal weinen, wenn ich es höre , stand da, es ist so tieftraurig.
Sam wandte sich ab und öffnete eine Google-Seite. »Das wäre genau das Richtige«, sagte er. »Aber Die Perlenfischer werden so gut wie nie aufgeführt â keine Ahnung, warum. Shelley hat recht, das Duett ist wirklich unglaublich schön.«
Ich war überrascht. Ich hatte nicht gewusst, dass Sam sich für Opern interessierte, und genau das sagte ich ihm.
»Ich bin kein Kulturbanause, Chas«, sagte er. »Mein Interesse beschränkt sich nicht allein auf Bier und Betthäschen.«
Ich hob skeptisch eine Augenbraue. »Interessant. Dabei hätte ich schwören können, dass mir vorhin ein Mädel in den Klamotten von gestern Nacht über den Weg gelaufen ist«, sagte ich beiläufig. Sam blickte stur auf seinen Laptopmonitor, doch ich konnte sehen, wie seine Wangen rot wurden. »Du läufst rot an, Bowes?«, bemerkte ich. »Alles in Ordnung?«
»Sie war die Erste seit Yvonne«, murmelte er. »Lass es gut sein.«
Etwas beschämt widmete ich mich meinem Kaffee. Sams Angelegenheiten gingen nur Sam etwas an, nicht mich.
» ACH DU LIEBE
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