Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Ein-Meter-dreiundneunzig-Sohn.
Aber nun hockten wir eben in Reihe 13. Während Webb sich einen fürchterlichen Film mit Adam Sandler anschaute, entwarf ich im Kopf die Nachricht. Als mein Sohn schließlich müde die Augen schloss, zog ich einen Bogen Papier aus meiner Aktenmappe und fing an zu schreiben.
Liebe Ms 6B,
bitte verzeihen Sie meine Tollpatschigkeit beim Einsteigen. Nur zu gern würde ich für die Reinigung oder den Ersatz Ihrer Bluse aufkommen. In Wahrheit wäre es mir sogar noch lieber, dürfte ich Sie irgendwann auf unserer Seite des großen Teichs zum Abendessen einladen. Soll heißen, falls Sie überhaupt vorhaben, in die Staaten zurückzukehren. (Könnte mir vorstellen, dass Sie Pariserin sind. Sie haben diesen besonderen Look.)
Würde ich allein reisen, wäre ich vielleicht kühner und würde mich Ihnen vorstellen. Doch vorläufig kann ich Sie nur einladen, mir zu mailen, sollte Ihnen an einem Treffen mit einem Bewunderer gelegen sein, der sich ziemlich schlecht fühlt, weil er Ihre Reisegarderobe verschandelt hat.
Sehr herzlich
Mr 13C
lineman@com
P . S. Sie sind wirklich erste Klasse.
Gleich darauf bereute ich das P . S. Es grenzte ans Schmierige, aber irgendwie gefiel mir, wie es die übrige Nachricht ausbalancierte. Hoffentlich würde sie beim Lesen ein schiefes Lächeln aufsetzen. Sie sah aus wie eine Figur aus einem BBC -Drama. Wie eine Schauspielerin vom Schlag Kate Winslets, die roten Lippenstift und einen Seidenslip trägt.
Ich fragte mich, ob ich wirklich den Nerv haben würde, der Frau den Zettel zu geben. Wahrscheinlich nicht. Noch nie hatte ich irgendetwas auch nur entfernt Vergleichbares getan. Wer tat so was überhaupt? Verzweifelte Männer. Einsame Männer. Alleinerziehende Väter mit halbwüchsigen Söhnen.
Ich beschloss, es zu tun. Warum eigentlich nicht? Was hatte ich zu verlieren? Ja, dachte ich. Ich tu’s!
Ich wartete, bis wir in Paris gelandet waren und an der Gepäckausgabe unsere Koffer einsammelten. Webb und ich mussten unseren Anschlussflug nach Madrid erreichen, hatten also keine Zeit zu verlieren.
»Schnapp dir deine Tasche, und dann los«, sagte ich zu Webb. Ich hatte Ms 6B schon am Kofferband ausgemacht.
Sie war größer, als ich gedacht hatte. Auch hübscher, und sie strahlte Selbstvertrauen aus. Ihr Gesicht sah frisch gewaschen aus. Ihr Haar war wieder zum ursprünglichen Pferdeschwanz gebunden. Mir gefiel ihre Reisegarderobe: lange Hose mit weit geschnittenen Beinen und dazu eine kurze schwarze Jacke, die ihre verschandelte Bluse bedeckte. Am besten aber gefiel mir ihr Gesicht. Die schmale Nase. Das unwillkürliche Lächeln, zu dem sich ihre Lippen formten. Sie wirkte willensstark, aber freundlich, selbst nach einem Transatlantikflug.
Ich ging nahe genug an ihr vorbei, um zu sehen, dass sie keinen Ehering trug. Dann steckte ich den Zettel in ihre Handtasche.
Ich hab’s getan!, dachte ich. Ich hab’s getan! Zwei Sekunden später schlugen meine Gedanken um in: Warum hab ich das getan?
»Komm schon, Webb«, zischte ich leise, aber bestimmt. »Schnapp dir deine Tasche und dann los – sofort.«
Es war eindeutig meine Schuld, dass er nach der falschen Tasche gegriffen hatte.
Verdammter Mist.
Also, bitte!
Ich entdeckte ihn erst, als wir wieder am Flughafen waren und nach der Tasche meiner Tochter suchten. Coco blätterte einen laminierten Band durch auf der Suche nach dem Foto, das am ehesten ihrer schwarzen Sporttasche entsprach. Ich wühlte in meiner Handtasche herum, um meine Lesebrille zu finden.
Und da sah ich den Zettel in einer Innentasche klemmen. Ging ich wirklich so sorglos mit meiner Handtasche um?
Erleichtert stellte ich fest, dass mein Portemonnaie unversehrt war, und las dann schweigend den Zettel, während Coco noch das Kofferbuch wälzte.
Mein erster Gedanke? Also bitte! Wirklich jeder Mann, der eine Frau »erste Klasse« nennt, wird sie später »Lady« und irgendwann »Lover« nennen. Es muffte nach Tom Jones und Neil Diamond.
Doch es kam noch schlimmer. Dieser Kerl hatte mich offensichtlich mit Absicht angerempelt und mir die Bluse – eines meiner Lieblingsstücke von Donna Karan – vollgekleckert, damit er anbieten konnte, die Reinigungskosten zu übernehmen, wenn ich ihm nur meine E -Mail-Adresse senden würde. Was war das denn für eine Masche?
Ich versuchte, mich an sein Aussehen zu erinnern, doch es war alles so schnell gegangen. Nicht mal bei einer Gegenüberstellung hätte ich ihn herauspicken können.
Und was für
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