Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
mir noch mal durch den Kopf gehen lassen, ehe ich mich auf eine fünfhundert Dollar teure Flunkerei festlegte.
Aus Gewohnheit schaute ich in mein E -Mail-Postfach, löschte die Junk-Mails ungelesen und überflog anschließend die Nachrichten von Freunden und ehemaligen Kollegen. Von einem Kellner, den ich vor einigen Jahren kennengelernt hatte, kam eine E -Mail mit einem Link zu einem Zeitungsartikel aus der Chicago Tribune vom 17. April, der den Titel »Was will Daisy Sprinkle?« trug.
Ich konnte nicht widerstehen. Ich klickte den Link an und las die Geschichte.
Was will Daisy Sprinkle?
Chicagos Lieblingsköchin kündigt – schon wieder
Weniger als einen Monat nach ihrer Auszeichnung mit dem begehrten James-Beard-Preis für herausragende Kochkunst hat Daisy Sprinkle das Bon Soir verlassen. Das trendige französische Restaurant hatte sie vergangenes Jahr vom Maison Blanche abgeworben, das seinerseits Sprinkle vom … Ach, wer soll das alles behalten?
Seit ihrer Ankunft in Chicago vor beinahe zwei Jahrzehnten war es Sprinkles Vorgehensweise, von einem Restaurant zum nächsten zu huschen, um es jedes Mal wie mit Feenstaub in das angesagteste Speiselokal der Stadt zu verwandeln. Doch sobald sich der Erfolg eingestellt hat – und das manchmal binnen weniger Tage –, zieht Sprinkle weiter, gewöhnlich kurzfristig und scheinbar ohne Grund.
In einem Interview aus dem letzten Jahr für die Zeitschrift Celebrate Chicago! verglich Sprinkle ihren Einsatz in einigen der edelsten Restaurants der Stadt mit der Elternschaft. »Beides bedeutet harte Arbeit, lange Schichten, viel Glück und eine ständig laufende Waschmaschine«, witzelte die alleinerziehende Mutter, die dafür bekannt ist, in ihren Arbeitsverträgen ein »sauberes, ruhiges, eigenes Zimmer im Restaurant« einzufordern, in dem ihre Tochter lernen kann, während Sprinkle die aufreibende Schicht von fünfzehn Uhr bis Mitternacht in der Küche verbringt und die köstlichsten Speisen zaubert.
Doch die Küchenchefin, die eine Kunst daraus gemacht hat, neue Restaurants aus der Taufe zu heben, entwickelt zusehends eine Begabung darin, diese möglichst schnell wieder zu verlassen.
All das läuft auf die Frage hinaus: Was will Daisy Sprinkle? Und wie könnte man sie lange genug an ein Speiselokal binden, damit man dort nicht nur einmal von ihr beköstigt wird?
Ich konnte nicht weiterlesen. Ich bekam Zahnweh, so abgedroschen war das Ganze. Feenstaub? Hielten sie das für mein Geheimnis? Huschen? Zaubern? Gott bewahre.
Sollte sich je irgendwer die Mühe gemacht haben, mich in der Küche zu beobachten, wüsste er um mein Geheimnis: Ich schufte wie ein Ochse, vor allem in einer neuen Küche, wo ungeheuer viel zu tun ist, um hohe Maßstäbe und reibungslose Abläufe einzuführen.
Besonders gut bin ich gleich zu Anfang, wenn ich meinen Kollegen in der Küche, dem Servicepersonal und sogar den Inhabern etwas beibringen kann – es ist bestürzend, wie wenig Ahnung manche Restaurantbesitzer von Essen haben. Es ist nämlich keine Zauberei, eine erlesene Mahlzeit zustande zu bringen. Es ist kein »Feenstaub«. Es ist harte Arbeit. Und wenn man sie richtig macht – was bedeutet, die Verfahren zu beherrschen, die besten und frischesten Zutaten zu verwenden und die richtigen Gerätschaften zu haben –, ist das Ergebnis ebenso vorhersehbar wie eine vollendete Crème brûlée.
Doch eine gute Mahlzeit sollte auch überraschen können. Jede Speise sollte etwas enthalten, was sich nicht ganz zuordnen lässt. Was an einen anderen Geschmack heranführt. Das ist es, was Kochen zu einer Kunst macht.
Der Reporterin von Celebrate Chicago! gegenüber hatte ich eigentlich nur gesagt, dass lange Schichten, harte Arbeit, viel Glück und Wäscheberge das Einzige seien, was Kochen und Elternschaft miteinander gemeinsam hätten. In jeder anderen Hinsicht steht das Kochen nämlich in völligem Gegensatz zur Elternschaft. Man kann bei einem Kind alles richtig machen, die besten Zutaten verwenden – Privatschulen, teure Sommerkurse, Geigenstunden, Schachverein – und trotzdem ein Ergebnis bekommen, das man nicht mal den engsten Freunden zeigen will.
Das Essen gehorcht mir. Ich verstehe es. Halbwüchsige Mädchen stehen auf einem anderen Blatt. Ich warf einen Blick hinüber zu Coco. Mit einem Grinsen im Gesicht tippte sie fieberhaft drauflos.
War sie in der einen Minute in Tränen aufgelöst gewesen, taumelte sie in der nächsten vor Glück. Sie ist das unberechenbarste Geschöpf auf
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