Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
einen besonderen Looksollte ich haben, der mich wie eine Pariserin aussehen ließ? Lag es bloß daran, dass ich im Flugzeug zwei Fläschchen Wein getrunken hatte? Zwei winzige Flaschen, die zusammen vermutlich weniger enthielten als ein normalgroßes Weinglas. Das ließ mich pariserisch aussehen? Also, bitte, Mr Lineman.
Warum waren Männer nur so verdammt armselig? Beziehungsweise: Warum fanden mich nur die armseligsten Männer anziehend?
Erneut las ich den Zettel. Unsere Seite des großen Teichs. Wer sagte denn so was? Und er schrieb, dass er »nicht allein« reise?
Jetzt wünschte ich, ich hätte mich genauer an diesen Kerl erinnert. Er reiste also in Begleitung (die Ärmste) und schob fremden Frauen kleine Nachrichten in die Handtasche? Hieß es nicht, Männer verstünden sich nicht aufs Multitasking? Schrieb er diese Dinger auf Vorrat, ehe er von zu Hause aufbrach, und sah sich dann nach einsam wirkenden Frauen um, damit er sie bekleckern und ihnen anschließend Zettel zustecken konnte?
Sah ich denn einsam aus? Antwort: Nein, ich sah müde aus, was ich auch war. Und auf Reisen sah ich meistens noch müder aus. Und ich hatte Billigschminke aufgetragen, weil mir das gute Make-up ausgegangen war und ich vor unserem Abflug keine Zeit mehr zum Kosmetikeinkauf gehabt hatte.
Ich beschloss, mir in Paris neues Make-up zu gönnen. Vielleicht gab es in den Galeries Lafayette die Möglichkeit, sich von einem Profi schminken zu lassen. Das würde mir Spaß machen und Coco sicher auch.
Ich erwog, dem Witzbold mit dieser komischen Botschaft eine Mail zu schicken, nur um ihn wissen zu lassen, was für ein Idiot er war. Eigentlich sollte ich den Zettel an den Sicherheitsdienst im Flughafen weiterreichen – oder vielleicht an Interpol? –, damit die sich damit beschäftigten. Es war doch unerhört, dass dieser Typ mich im Flugzeug einfach angegriffen hatte. Und dann war er auch noch so unverfroren gewesen, in meiner Handtasche herumzukramen? Eigentlich sollte ich …
»Mom!« Coco wedelte mit einer Hand vor meinem Gesicht herum.
»Was ist?«
»Sie haben sie nicht.«
»Was haben sie nicht?«
»Meine Tasche«, erklärte Coco mit Nachdruck. »Sie ist nicht hier.«
»Sie muss aber hier sein«, sagte ich zu der Frau am Schalter. Dann fragte ich in gebrochenem Französisch, ob die Tasche womöglich mit dem nächsten Flieger käme.
»Sie können warten, wenn Sie wollen«, antwortete die Frau schließlich. Als würden die Leute rein zum Vergnügen auf ihr Gepäck warten. Sie hatte sich ihren Seidenschal auf jene mühelos flotte Art um den Hals gebunden, wie es nur eine Französin hinbekommt.
»Könnte jemand sie gestohlen haben?«, fragte ich.
»Ist durschaus möglich«, sagte die Frau, blickte in die Ferne und runzelte die Stirn.
Warum nur schauen Französinnen so oft verdrossen drein? Glauben sie, ihr Schmollen – verbunden mit jener typischen katzenhaften Haltung selbstgefälliger Müßigkeit – ließe sie womöglich noch schöner aussehen? Dass es sich in diesem Fall tatsächlich so verhielt, machte es nur doppelt ärgerlich.
»Mom«, sagte Coco, und nun stiegen ihr die Tränen in die Augen. »Ich brauche meine Sachen.«
»Weiß ich«, sagte ich und wandte mich mit fester Stimme an Mademoiselle Seidenschal: »S’il vous plaît. Wie melden wir eine vermisste Tasche? Oder eine gestohlene?«
»Da«, sagte die Frau und deutete mit einer vagen Geste auf einen mit Formularen übersäten Ständer an der gegenüberliegenden Wand. »Sie können die Unterlagen auch online einreichen. Per Intärrnet.«
So wie ich es sah, hatte ich zwei Möglichkeiten: entweder Mademoiselle Seidenschal mitzuteilen, dass sie sich den falschen Job ausgesucht hatte, oder tief einzuatmen und das Problem selber zu lösen.
Ich legte meinen Arm um Cocos Schulter. »Komm, wir suchen uns ein Internetcafé und geben eine Anzeige bei der Fluggesellschaft auf.«
Coco schniefte und nickte. Und dann fuhr sie sich, wie es ihre Gewohnheit war, mit beiden Händen nervös durchs karamellfarbene Haar.
Meine Tochter. Meine wunderschöne achtzehnjährige Tochter. Die mich glatt erwürgen würde, wenn ich ihr verriete, dass sie in jenem Augenblick entzückend aussah und dass ich sogar die Momente genoss, in denen sie mich brauchte. Solche Gelegenheiten waren in den letzten Jahren zu höchst erfreulichen Abwechslungen geworden, seit ich mir wie ein unerwünschtes Anhängsel vorkam wie diese verkümmerten Greifarme an Dinosauriern.
»Aber zuerst gehen wir
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