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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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grinste Tally an. "Na, was hab ich dir gesagt?"
      "Lass mich mal", sagte Tally mit großen Augen und streckte die Hand aus.
      Shay lachte und zog einen weiteren Powerjack aus ihrem Rucksack. "Nimm die Schwelle dahinten, während ich die hier hochhalte."
      Das Werkzeug war schwerer, als es aussah, aber einfach zu bedienen. Tally ließ es auseinanderklappen und schob es unter die Schwelle, auf die Shay gezeigt hatte. Sie drehte langsam den Griff, bis der Powerjack in ihren Händen zu zittern begann. Das Holz bewegte sich, und die Kraft von Metall und Erde wand sich in Tallys Händen. Schlingpflanzen wurden aus dem Boden gerissen und Tally spürte ihren Protest durch ihre Schuhsohlen, wie ein in der Ferne grollendes Erdbeben. Ein metallischer Schrei füllte die Luft, als die Schiene sich zu verbiegen begann, sich von den Pflanzen und den rostigen Nägeln befreite, die sie seit Jahrhunderten festgehalten hatten. Endlich öffnete das Werkzeug sich komplett, aber die Schiene war noch immer erst zur Hälfte von ihren alten Fesseln befreit. Tally und Shay mussten sich gewaltig abmühen, um ihre Powerjacks wieder herauszuziehen.
      "Macht’s Spaß?", fragte Shay und wischte sich Schweiß von der Stirn.
      Tally nickte und grinste. "Steh hier nicht so rum, wir haben zu tun."

 
 David
      

      
      Einige Stunden später lag in einer Ecke der Lichtung ein Schrotthaufen. Für jedes Schienenstück brauchten sie eine Stunde, und alle sechs waren nötig, um es zu tragen. Die Schwellen lagen auf einem anderen Haufen. Wenigstens stammte nicht alles Holz in Smoke von dafür getöteten Bäumen. Tally konnte es nicht fassen, wie groß die Ausbeute war, wie viele Bahnteile sie dem Wald buchstäblich entrissen hatten.
      Und sie konnte es nicht fassen, wie ihre Hände aussahen. Sie waren rot und wund, schienen vor Schmerz zu schreien und waren über und über mit Blasen bedeckt.
      "Sieht ziemlich übel aus", sagte David und schaute Tally über die Schulter, während sie ihre Hände verdutzt anstarrte.
      "Fühlt sich auch ziemlich übel an", sagte sie. "Aber das ist mir gerade erst aufgefallen."
      David lachte. "Harte Arbeit ist eine gute Ablenkung. Aber vielleicht solltest du eine Pause einlegen. Ich wollte weiter oben an der Bahnstrecke nach einer passenden Stelle für weitere Arbeiten Ausschau halten. Lust, mitzukommen?"
      "Gern", sagte sie dankbar. Schon beim bloßen Gedanken, wieder zu ihrem
      Werkzeug zu greifen, pochten ihre Hände vor Schmerz.
      Sie ließen die anderen auf der Lichtung zurück und flogen auf ihren Hubbrettern über den knorrigen Bäumen dahin, um der kaum sichtbaren Bahnlinie in den dichten Wald zu folgen. David flog ziemlich tief und wich mit eleganten Bewegungen Zweigen und Kletterpflanzen aus, als sei das hier eine vertraute Slalomstrecke. Tally fiel auf, dass wie seine Schuhe auch seine Kleidung handgemacht war. Stadtkleidung hatte Nähte und Stiche nur zur Dekoration, aber Davids Jacke schien aus mehreren Lederstücken zusammengesetzt zu sein, alle in unterschiedlichen Farbtönen und Formen. Dieses Flickwerk erinnerte sie an Frankensteins Monster, und das brachte sie auf einen entsetzlichen Gedanken.
      Was, wenn die Jacke aus echtem Leder war, wie in alten Zeiten? Aus Häuten ?
      Ihr schauderte. Er konnte einfach keine toten Tiere am Leib tragen. Die Smokies waren schließlich keine Wilden. Und sie musste zugeben, dass die Jacke ihm gut stand, das Leder passte sich wie ein alter Freund seinen Schultern an. Außerdem wehrte es die Hiebe der Zweige besser ab als Tallys Schuljacke aus Mikrofasern.
      David wurde langsamer, als sie eine Lichtung erreichten, und Tally sah, dass sie eine solide Felswand vor sich hatten. "Komisch", sagte sie. Die Bahnlinie schien einfach im Berg zu verschwinden, mitten in den hohen Quadern.
      "Die Rusties standen total auf geraden Linien", erklärte David. "Wenn sie Bahnstrecken anlegten, wollten sie keinem Hindernis ausweichen."
      "Sie sind also einfach hindurchgegangen?"
      David nickte. "Ja. Das hier war mal ein Tunnel, der mitten durch den Berg führte. Er muss irgendwann nach der Rusty-Panik eingestürzt sein."
      "Glaubst du, dass da irgendwer ... drinnen war? Als das passiert ist, meine ich."
      "Vermutlich nicht. Aber man weiß ja nie. Da drin könnte eine ganze Wagenladung von Rusty-Skeletten liegen."
      Tally schluckte und versuchte sich diese Skelette vorzustellen, plattgedrückt und seit Jahrhunderten in der Finsternis

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