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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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erzählt hast."
      Tally schluckte und zuckte mit den Schultern, sie versuchte bescheiden auszusehen.
      Shay lächelte und umarmte David. "Ich hab ja gewusst, dass du von Tally beeindruckt sein würdest."
      Eine Glocke ertönte und alle aßen eilig zu Ende.
      "Was war das?", fragte Tally.
      David grinste. "Das bedeutet: zurück an die Arbeit."
      "Du kommst mit uns", sagte Shay. "Mach dir keine Sorgen, es wird dich nicht umbringen."
            ***
      Auf dem Weg zur Arbeit erzählte Shay mehr über die langen flachen Achterbahnen, die Eisenbahn genannt wurden. Einige zogen sich über den gesamten Erdteil, als kleiner Teil der Rusty-Hinterlassenschaften, die das Land noch immer entstellten. Aber anders als die meisten Ruinen waren die Eisenbahnen wirklich nützlich, und das nicht nur in Bezug auf Hubbretter. Sie waren die wichtigste Metallquelle der Smokies.
      David hatte etwa ein Jahr zuvor eine neue Eisenbahnlinie entdeckt. Sie führte an keinen brauchbaren Ort, deshalb hatte er beschlossen, mit dem Metall im Tal und in der Umgebung neue Hubwege anzulegen. Shay arbeitete für dieses Projekt, seit sie zehn Tage zuvor nach Smoke gekommen war.
      Zu sechst verließen sie auf ihren Brettern das Tal zur anderen Seite hin, über einen Bach mit brodelndem Wildwasser und entlang einer rasierklingenscharfen Felskante, die mit Eisenerz gefüllt war. Von dort aus konnte Tally endlich erfassen, wie hoch in die Berge sie gekommen war, seit sie die Küste verlassen hatte. Vor ihnen schien sich der gesamte Erdteil auszudehnen. Eine dünne Wolkenbank unterhalb der Felskante spiegelte die schwerere Wolkenschicht über ihnen, aber durch den Nebelschleier waren Wälder, Steppen und glitzernde Flussbiegungen zu erkennen. Das Meer aus weißen Orchideen war auch von dieser Seite des Berges noch zu sehen und glühte in der Sonne wie eine immer näher rückende Wüste.
      "Alles ist so groß", murmelte Tally.
      "Von innen kannst du das einfach nicht begreifen", sagte Shay.
      "Wie klein die Stadt ist. Wie klein sie alles machen müssen, um sie dort gefangen zu halten."
      Tally nickte, aber sie stellte sich vor, wie alle diese Leute in der Landschaft unter ihr losgelassen wurden, wo sie Bäume fällten und töteten, um zu essen zu haben, und wie sie die Gegend verwüsteten wie eine auferstandene Rusty-Maschine.
      Trotzdem hätte sie diesen Moment um nichts hergeben mögen, als sie dort stand und auf die Ebene schaute. Tally hatte die vergangenen vier Jahre damit verbracht, die Skyline von New Pretty Town anzustarren und sie für den allerschönsten Anblick auf der ganzen Welt zu halten, aber jetzt dachte sie anders.
            ***
      Weiter unten am Berg kreuzte noch ein Fluss Davids Eisenbahnlinie. Der Weg, der von Smoke aus dorthin führte, war ziemlich verschlungen, er nutzte Eisenadern, Flüsse und trockene Bachläufe. Aber sie brauchten nie von ihren Brettern zu steigen. Sie konnten auch nicht zu Fuß gehen, erklärte Shay, wenn sie mit Metall beladen zurück wollten.
      Die Bahnlinie war von Schlingpflanzen und kleinen Bäumen überwuchert, jede hölzerne Schwelle gepackt von einem Dutzend Fangarmen der Vegetation. Hier und dort war der Wald weggehackt worden, und an diesen Stellen fehlten Stücke aus den Schienen, aber die restliche Strecke hielt er fest im Griff.
      "Wie sollen wir denn hier etwas rausbekommen?", fragte Tally. Sie versetzte einer knorrigen Wurzel einen Tritt und kam sich angesichts der Macht der Wildnis reichlich jämmerlich vor.
      "Schau mal zu", sagte Shay. Sie zog ein Stück Werkzeug aus dem Rucksack, eine armlange Stange, die sich fast bis zu Tallys Größe auseinanderziehen ließ. Shay drehte am einen Ende und vier kurze Teile klappten auf wie die Stangen eines Regenschirms. "Das ist ein Powerjack und der kann fast alles bewegen."
      Wieder drehte Shay an dem Griff und die Stangen wurden zurückgezogen. Dann schob sie ein Ende des Geräts unter eine Schwelle. Sie verdrehte das Handgelenk, das Werkzeug fing an zu wackeln und das Holz stieß ein Stöhnen aus. Shays Füße rutschten, aber sie stützte sich mit ihrem ganzen Gewicht auf das Werkzeug und hielt es unter der Schwelle fest. Langsam hob sich das uralte Holz, riss sich los von Pflanzen und Erde und verbog die darüberliegende Schiene. Tally sah, wie die Arme des Werkzeugs sich unterhalb der Schwelle entfalteten und sie langsam nach oben zwangen, wodurch die Schiene darüber sich aus ihrer Verankerung lösen konnte.
      Shay

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