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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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nicht, es ist..."
      Warum soll ich es ihr nicht sagen, fragte Tally sich. Sie würde ja doch alles durchschauen, wenn die Specials-Truppe einfiel. Wenn sie es wüsste, könnte Shay sich immerhin auf das Ende ihrer Fantasiewelt vorbereiten. "Ich muss dir etwas sagen."
      "Klar."
      "Ich bin hergekommen, weil ... also, es ist so, als ich abgeholt wurde, um meine ..."
      "Was treibt ihr denn hier?"
      Tally fuhr zusammen, als sie die krächzende Stimme hörte. Sie klang wie eine alte, brüchige Version von Dr. Cables, wie eine rostige Rasierklinge, die über ihre Nerven gezogen wurde. "Diese Zeitschriften sind über dreihundert Jahre alt und ihr tragt keine Handschuhe." Der Boss schlurfte auf Tally zu, zog weiße Baumwollhandschuhe aus der Tasche und streifte sie über. Er streckte den Arm an ihr vorbei und klappte die Zeitschrift zu, in der sie gelesen hatte.
      "Deine Finger sind mit überaus scheußlichen Säuren bedeckt, junge Dame. Du wirst diese Zeitschriften zerstören, wenn du nicht aufpasst. Ehe du in der Sammlung herumschnüffelst, hast du zu mir zu kommen."
      "Tut mir leid, Boss", sagte Shay. "Das war meine Schuld."
      "Davon gehe ich aus", fauchte er und stellte die Zeitschriften zurück ins Regal, mit eleganten, vorsichtigen Bewegungen, die überhaupt nicht zu seinen scharfen Worten passten. "Also, junge Dame, ich nehme an, du bist gekommen, um dir die Arbeit zuteilen zu lassen."
      "Arbeit?", fragte Tally.
      Die beiden anderen schauten in ihr verwirrtes Gesicht und dann prustete Shay los.

 
 Arbeit

      
      Alle Smokies aßen gemeinsam zu Mittag, es war genau wie in einem Ugly-Wohnheim.
      Die langen Tische waren ganz offensichtlich aus den Herzen der Bäume herausgeschnitten worden. Knorrige Stellen und Astlöcher waren zu sehen und die Jahresringe zogen sich durch die gesamte Maserung. Sie waren grob und schön, aber Tally kam nicht über die Tatsache hinweg, dass dafür Bäume hatten sterben müssen.
      Sie war froh, als Shay und David mit ihr nach draußen zur Kochstelle gingen, wo eine Gruppe von jüngeren Uglies herumlungerte. Es war eine Erlösung, sich von den gefällten Bäumen und den beunruhigenden älteren Uglies entfernen zu können. Die Uglies, die hier draußen waren, konnten immerhin als Leute im letzten Schuljahr durchgehen. Tally besaß nicht viel Erfahrung darin, das Alter von Uglies zu tippen, aber sie stellte fest, dass sie so ziemlich richtiglag. Zwei waren erst vor kurzem aus einer anderen Stadt gekommen und noch keine sechzehn. Die anderen drei - Croy, Ryde und Astrix - waren Freunde von Shay, aus der Gruppe, die gemeinsam weggelaufen war, als Tally und Shay einander noch nicht gekannt hatten.
      Nach nur fünf Monaten hier in Smoke wiesen Shays Freunde schon etwas von Davids Selbstvertrauen auf. Auf irgendeine Weise strahlten sie die Autorität der Mittel-Pretties aus, nur ohne die festen Wangenknochen, die sorgfältig angelegten Fältchen unter den Augen oder die elegante Kleidung. Beim Mittagessen sprachen sie über ihre derzeitigen Arbeiten. Ein Kanal sollte gebaut werden, um einen Arm des Flusses näher an Smoke heranzuleiten, sie sprachen über neue Muster für ihre Pullover, die aus Schafswolle hergestellt wurden, und über eine neue Latrine. (Tally fragte sich, was eine >Latrine< wohl sein mochte.) Sie wirkten so ernst, als sei ihr Leben ein wirklich komplizierter Trick, der jeden Tag neu geplant werden musste.
      Das Essen war ebenfalls eine ernste Angelegenheit und sie häuften sich ernsthafte Mengen auf ihre Teller. Es war schwerer, als Tally es gewöhnt war, es schmeckte zu würzig, ähnlich wie damals, als sie mit ihrem Kurs in Nahrungsgeschichte zu kochen versucht hatte. Aber die Erdbeeren waren auch ohne Zucker süß und das Brot der Smokies hatte seinen ganz eigenen Geschmack, auch ohne Belag. Aber natürlich hätte Tally jetzt begeistert alles verschlungen, bei dem es sich nicht um SpagBol handelte.
      Sie fragte jedoch nicht, was der Eintopf enthielt. Der Gedanke an die toten Bäume reichte ihr für diesen Tag.
      Während sie ihre Teller leerten, quetschten Shays Freunde Tally nach Neuigkeiten aus der Stadt aus. Schulsportergebnisse, neue Folgen von Soaps, Politik in der Stadt. Wusste sie noch von anderen, die weggelaufen waren? Tally beantwortete diese Fragen nach besten Kräften. Ihre Zuhörer versuchten gar nicht erst ihr Heimweh zu verbergen. Ihre Gesichter sahen um Jahre jünger aus, als sie jetzt an alte Freunde und alte Streiche

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