Verlockende Angst
verwirrten, misstrauischen Mienen sahen wir Halbblüter uns in der Klasse um. Hatte es einen weiteren Angriff gegeben?
Mrs Kateris trat zurück und presste die Hände aneinander. Mit beeindruckend ausdrucksloser Miene stellte sich Wachmann Linard vor die Klasse. » Bitte folgen Sie uns! «
Olivia klappte das Lehrbuch zu und ihr wich die Farbe aus dem Gesicht. » Was ist los? «
Während ich mir meinen Rucksack schnappte, der auf dem Boden stand, dachte ich an die Furien. Heute Morgen hatten alle von ihnen geredet und gefunden, dass sie ziemlich cool aussahen. Niemand schien zu kapieren, welch große Bedeutung sie hatten. » Keine Ahnung. «
Mehrere Halbblüter wollten beim Verlassen des Klassenraums Fragen stellen, aber Wachmann Linard fertigte sie stirnrunzelnd ab. » Nicht reden! «
Das Gleiche passierte in den anderen Klassen. Türen wurden geöffnet, und Wachleute führten die Halbblüter im Gänsemarsch den Flur entlang. Auch von oben hörten wir die Schritte anderer Gruppen, die durch das Gebäude getrieben wurden. Ich warf einen Blick nach hinten und entdeckte Caleb und Luke.
Ich wandte mich wieder um und atmete flach. Es ging um eine ernste Angelegenheit, das war uns klar. Während wir uns weiter in Richtung Erdgeschoss bewegten, hing so viel Spannung in der Luft, dass mir die Haut juckte. Es dauerte lächerlich lange, bis alle die Treppe hinuntergestiegen waren. Wieder einmal hätte ich am liebsten erwähnt, dass der Covenant unbedingt Aufzüge brauchte.
Schließlich führte man uns durch das Foyer der Schule, vorbei an den Verwaltungsbüros und dann zum Zentrum des Covenant, dem Innencolosseum. Nur dort fanden wir alle Platz.
Sobald wir den Raum betreten hatten, der bei uns Studenten einfach nur Turnhalle hieß, befahl man uns, mit unserer Klasse zusammenzubleiben und uns zu setzen. Olivia und ich landeten in der dritten Reihe, Caleb und Luke dagegen weit hinten, mindestens in der elften, was ich ziemlich blöd fand. Ich hätte lieber neben Caleb gesessen, wenn die Bombe platzte, über die wir allerdings nicht das Geringste wussten. Olivia erging es offenbar genauso wie mir.
Ich zog eine finstere Miene und wippte mit dem Knie. Die Sitzreihen bestanden aus Sandstein und waren schrecklich unbequem.
Olivia rutschte herum. » Hast du… «
Unter uns, am Boden der Halle, fuhr Wachmann Linard hoch. » Nicht reden! «
Olivias Augenbrauen zuckten nach oben, und ich fragte mich, ob Linard mich schlagen würde, wenn ich mich erkundigte, wer denn jetzt die Brücke bewachte. Laut stieß ich die Luft aus, während ich den Blick über das Meer von Halbblütern in grüner Trainingskleidung schweifen ließ. Eine Reihe von Posten in blauen Uniformen stand Wache. Aber ich sah kaum jemanden in der schwarzen Uniform der Wächter, der Daimonenjäger.
Dann entdeckte ich einen großen Blonden, der an der Wand lehnte, und ich erkannte die muskelbepackten Arme und schmalen Hüften. Eins seiner langen Beine war im Knie gebeugt, und sein Stiefel stand auf einem Wandgemälde, das einen halb nackten Zeus darstellte.
Seth.
Das Haar hatte er sich mit einem Lederband zurückgebunden, aber wie immer hatten sich kürzere Strähnen gelöst und lockten sich um seine Wangen. Er hatte diese goldene Haut, die sonst niemand besaß, und ein makellos geformtes Gesicht, in dem die eigenartigen bernsteingelben Augen exotisch schräg standen. Manchmal fragte ich mich, ob die Götter diese Wangenknochen und selbstzufrieden wirkenden Lippen eigens für ihn geschaffen, ob sie die Andeutung eines Grübchens in sein Kinn eingefügt und seinen Kiefer aus Granit geformt hatten. Keiner sah so aus wie er.
Er war schließlich der Erste Apollyon unserer Generation. Wenn ich meinem Stiefvater glaubte, war es Seth und mir vom Schicksal bestimmt, auf merkwürdige Art, zu der eine Energieübertragung gehörte, zusammen zu sein. Meiner Meinung nach war Seth allerdings eine Nervensäge erster…
Seth neigte den Kopf in meine Richtung und zwinkerte. Ich lehnte mich zurück und konzentrierte mich auf die Wachleute. Momentan verstanden Seth und ich uns nicht so gut. In unserer letzten Trainingsstunde hatte er mich zufällig mit einem puren Energiestrahl getroffen, und ich hatte ihm genauso zufällig einen Stein an den Kopf geworfen.
Vielleicht hatte ich doch ein Problem, das sich darin äußerte, dass ich mit Gegenständen warf.
Nach einer gefühlten Ewigkeit betrat Marcus die Turnhalle, und die versammelten Studenten rutschten ein Stück nach vorn.
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