Verlockende Angst
nicht neben mir sitzen– neben einem Halbblüter. Zum Hades, er schien sich nicht im gleichen Raum aufhalten zu wollen wie wir. «
Ich rieb mir mit den Fingerspitzen über die Schläfen. Mir war der Appetit vergangen. » Sie haben alle Angst. Wir haben noch nie einen Daimon auf dem Campus gehabt. «
» Es ist nicht unsere Schuld. « Luke sah mich an. » Außerdem– wovor sollten sie Angst haben? Wenn ich den Minister heute richtig verstanden habe, dann ist der Daimon nicht mehr hier. «
» Das weiß niemand genau. « Ich griff zu meiner Limo und ließ Caleb nicht aus den Augen.
Er zog die Hand zurück und redete während des ganzen Essens nicht mehr. Als wir der Reihe nach die Cafeteria verließen, nahm ich Caleb beiseite. » Geht’s dir gut? «
Er nickte. » Ja, prima. «
Ich schlang den Arm um ihn und kümmerte mich nicht darum, dass er erstarrte. » Sieht für mich aber nicht so aus. Ich verstehe ja… «
» Begreifst du, dass wir inzwischen die Hauptverdächtigen sind, Alex? « Caleb machte sich los. » Dass die ganzen Maßnahmen falsch und demütigend sind? Ich will nicht, dass sie dich oder Olivia ausziehen und nach Spuren suchen, ob wir in unserer Freizeit herumlaufen und Reinblüter beißen. Und bei dir… « Er unterbrach sich und blickte sich im Flur vor der Cafeteria um. Luke und Olivia gingen weiter, aber zwei Wachposten beobachteten uns– die beiden von gestern. » Lea war gestern fies zu dir, aber die Leute… «
» Die Leute reden? Caleb, die Leute reden über mich, seit sie herausgefunden haben, dass meine Mom ein Daimon war. Ja und? Wen interessiert das? « Ich drückte seine Hand, genau wie Olivia vorhin. » Warum schleichst du dich nicht heute Abend in mein Zimmer und bringst einen Film mit? «
Wieder machte Caleb sich los und schüttelte den Kopf. » Ich habe etwas zu tun. «
» Olivia zum Beispiel? « , witzelte ich.
Das entlockte ihm den Hauch eines Lächelns. » Hör mal, du kommst zu spät zum Unterricht. Und du hast Training bei Seth… «
Ich stöhnte laut auf. » Sprich bitte diesen Namen nicht aus! Er wirft mir Energiekugeln an den Kopf, als wäre es ein Spiel. «
» Bei der Versammlung hat er ziemlich sauer ausgesehen. «
» Ja, hat er wohl. « Ich dachte daran, wie er mit Lucian diskutiert hatte. Worüber, das wussten nur die Götter. » Bist du sicher, dass du nicht vorbeikommen willst? «
» Keine Lust heute Abend. Außerdem ist es schon schlimm genug, an den üblichen Wachposten vorbeizuschleichen. Wenn es aber doppelt so viele sind? Das könnte sogar mir schwerfallen. «
Ich schmollte, lenkte aber ein, als wir auseinandergingen. Der Rest des Nachmittags zog sich in die Länge. Ich wurde erst wieder munter, als gegen Ende des Nahkampftrainings Aiden die Trainingshalle betrat. Ich versuchte, meine Aufregung zu bremsen, was mir aber nicht gelang.
» Wo steckt denn Seth? « Ich hüpfte auf Aiden zu.
Aidens Augen blitzten amüsiert. » Beim Minister. Möchtest du lieber mit ihm trainieren? «
» Nein! « , rief ich ein wenig zu eifrig. » Was will er von Lucian? «
Achselzuckend ging Aiden zur Mitte der Matten voran. » Hab nicht gefragt. Fertig? «
Ich nickte und Aiden reichte mir die Übungsmesser. Vor einer Woche hatte er mir erlaubt, endlich mit den richtigen Klingen zu trainieren. Doch leider wurde der Reiz daran von der Tatsache überschattet, dass ich sie bereits in einer echten Situation gebraucht hatte. Ich wusste, wie die schmalen Dolche in meiner Handfläche lagen, und kannte das Gefühl, wenn sie durch Daimonenfleisch glitten. Nachdem ich sie im Kampf eingesetzt hatte, hatten sie ihren naiven Reiz verloren.
Aiden ging mit mir mehrere Techniken durch, die wir im Silattraining gelernt hatten. Dann traten wir auseinander, und er zog die Dummys hervor, auf die ich einstechen sollte. Ich wirbelte die Plastikdolche herum wie Taktstöcke. » Die neuen Regeln, die man für uns aufgestellt hat, sind total blöd. Du hast doch davon gehört, oder? Körperliche Untersuchungen und Durchsuchungen in den Wohnheimen. «
Aiden streckte die Hand aus und strich mir behutsam eine Haarsträhne hinters Ohr zurück. Ständig erlebte ich so kleine Gesten, die eigentlich verboten waren. » Ich bin nicht mit allem einverstanden, aber man muss etwas tun. Wir können nicht weitermachen, als wäre nichts geschehen. «
» Das weiß ich. Aber das heißt noch längst nicht, dass die Reinblüter jedes einzelne Halbblut bestrafen dürfen. «
» Wir bestrafen die Halbblüter nicht.
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